1236 - Grauen im stählernen Sarg
ich es auch noch sagen. Wir werden in der folgenden Nacht auf der Insel bleiben und wohl auch kaum schlafen. Da können Sie ganz beruhigt sein, Amy. Und wenn es sein muss, bleiben wir auch noch einige Tage hier. Ihre Mutter hat uns liebenswürdigerweise zwei leer stehende Zimmer angeboten, die wir gern annehmen.«
Amy war erleichtert. Ich spürte den leichten Druck, als sie mir eine Hand auf den Arm legte. »Das finde ich toll, Mr. Sinclair. Da kann ich beruhigt sein.«
»Lassen Sie das förmliche Mister weg. Ich bin John, mein Freund heißt Suko.«
»Danke.«
»Aber es muss weitergehen. Wir können hier nicht so einfach herumsitzen und abwarten. Wir müssen gewisse Dinge selbst in die Hände nehmen.«
»Wie meinen Sie das denn?«
»Uns auf die Suche begeben. Versuchen, die Zeichen so früh wie möglich zu entdecken.«
Amy hob verunsichert die Schultern. »Das verstehe ich nicht so recht, ehrlich.«
»Es ist ganz einfach. Mein Freund Suko und ich werden uns trennen. Ich werde mich unten im Hafen umschauen, und mir eventuell ein Boot leihen, um die Insel zu umrunden, während Suko hier oben bei ihnen bleibt und Sie beschützt.«
»He, he, das ist…«
Ich wusste, dass Sukos Protest kommen würde, aber ich winkte ab. »Es ist wirklich besser, wenn wir getrennt marschieren, um gemeinsam zuschlagen zu können.«
Er breitete die Arme aus. »Nun ja, wenn du davon überzeugt bist, ich tue dir den Gefallen.«
»Danke. Du hast was gut.«
»Ja, zwei Riegel Schokolade, wie?«
»Aber nur mit Reis gefüllt.«
Amy wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Ihre Mutter hatte sich zurückgezogen, und sie schaute Suko an, wobei es ihr schwer fiel zu lächeln.
»Meinen Sie denn, dass wir zurechtkommen?«
»Aber sicher.«
»In der Ruine, das war ja toll.«
»Danke.«
Ich tippte Amy auf die Schulter, und sie drehte sich zu mir um. »Sagen Sie mir bitte, wie es unten im Hafen aussieht. Sind die Fischer schon ausgelaufen?«
Amy überlegte. »Ich nehme an, dass sie dabei sind. Sie wollten wegen des guten Wetters eigentlich die Nacht über auf dem Meer bleiben. Hier oben muss man täglich mit dem Wintereinbruch rechnen. Zumindest mit kräftigen Stürmen und entsprechend viel Regen.«
»Danke, das wollte ich wissen. Und ein freies Boot wird es für mich dort unten auch geben?«
»Ja, das denke ich.«
Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Wunderbar. Dann kann ja nichts schief gehen.«
»Moment mal«, sagte Suko. »Eine kleine Frage noch. Wann könntest du wieder zurück sein?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Aber nicht die ganze Nacht - oder?«
»Das hoffe ich nicht.«
»Okay, dann mach's gut.«
Ich nickte den Zurückbleibenden noch zu und ging. Dabei hatte ich das Gefühl, in mein eigenes Unglück zu laufen…
***
Dean Pollack hatte die Frau nicht auf die Brücke kommen hören, deshalb schrak er zusammen, als er ihre seidenweiche Stimme hinter sich vernahm.
»Ist alles in Ordnung, Dean?«
»Ja, ja.«
Sie trat näher an den Kapitän des Schiffes heran. Er sah es nicht, er sah sie auch nicht vorn in der breiten Scheibe als schwaches Spiegelbild, er nahm nur den außergewöhnlichen Geruch wahr, der von ihr ausging. Pollack hatte schon mehrmals versucht, ihn zu identifizieren, es war ihm jedoch nie so recht gelungen. Etwas Undefinierbares vereinigte sich da mit einem Parfümduft, dessen Wirkung für ihn auch neu war.
Die Frau mit den blonden Haaren war sexy, sehr sexy sogar.
Sie hatte sich ihm und der Besatzung als Justine vorgestellt, und sie hatte dabei mit Scheinen gewinkt, sodass die Männer ins Schlucken gekommen waren. Sie hätten auch so geschluckt, denn das Aussehen der Frau war einfach perfekt, und es gab keinen Mann an Bord, der sich bei einer derartigen Frau abgewandt hätte.
In diesem Fall schon. Die vier Männer spürten, dass mit ihr etwas nicht normal war. Von ihr strahlte eine Kälte ab, die sie einfach zurückhaltend werden ließ. Man konnte es nicht fassen.
Man wünschte sich diese Person im Bett und gleichzeitig weit weg. Diese Person war so etwas wie ein Pinup, aber keines zum direkten Anfassen. Die hängte man sich in den Spind, um sie betrachten zu können.
Sie war die Chefin. Sie zahlte, und sie zahlte nicht schlecht.
Deshalb war Dean Pollack auf ihr Angebot eingegangen und hatte sich von ihr chartern lassen.
Er verfügte über ein Bergungsboot. Ihn und seine Mannschaft rief an, wenn es galt, etwas vom Meeresgrund zu heben, das nicht in zu großer Tiefe lag und auch
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