1239 - Bilderbuch des Schreckens
Sein Mund hatte sich dabei in die Breite gezogen.
»Es hat mich im Rücken erwischt, John. Plötzlich. Du musst aufpassen. Über uns ist es nicht so harmlos.«
»Okay. Hast du was erkennen können?«
»Nein.«
»Also nicht diesen Spiegelmann?«
»Auf keinen Fall. Da muss sich jemand im Laub versteckt haben. Ich kann dir nicht sagen, ob es ein Mensch oder ein Tier gewesen ist. Alles ging zu schnell.«
»Gut. Was ist mit dir? Kannst du dich bewegen?«
»Klar, obwohl der Schlag mich schon hart erwischt hat. Aber das lässt sich aushalten. Ich denke auch, dass sich dieser Jemand weiterhin in der Nähe aufhält. Wir sollten uns darauf einstellen.«
Es war, als hätte Suko ein Stichwort gegeben. Plötzlich hörte ich über meinem Kopf ein Rascheln. Es waren Blätter, die gegeneinander rieben, aber sie wurden nicht vom Wind bewegt, denn dann hätte es noch in meiner weiteren Umgebung geraschelt.
Ich leuchtete und schaute hoch!
Was dann passierte, lief alles sehr schnell ab. Aber ich hatte auch Glück, dass ich innerhalb kürzester Zeit etwas sehen und mir einprägen konnte.
Ich sah die Blätter und dazwischen etwas anderes. Es war nicht unbedingt heller, aber anders, denn es malte sich im Lichtkegel der Lampe so etwas wie ein Gesicht ab. Es hatte mit dem Gesicht eines Menschen nichts zu tun, denn dieses hier sah aus wie aus dem Holz eines Baumes geschnitzt. Runzeln, Falten, alles starr und darin zwei böse, kalte Augen, die mich anstarrten.
Ich wollte etwas unternehmen und in die Höhe springen, als mich ein krächzendes und böse klingendes Lachen erreichte und plötzlich ein Knüppel nach unten fuhr. Er hätte mich nie getroffen, der Schlag war nicht gut genug angesetzt worden, aber er sorgte dafür, dass ich zurückglitt, und genau das hatte der kleine, im Baum versteckte Teufel gewollt.
Er hatte Zeit bekommen, sich zurückzuziehen. Das Gesicht verschwand von einem Moment zum anderen, dann raschelte es über meinem Kopf wieder, diesmal aber lauter als beim ersten Mal, und dann war die Gestalt nicht mehr zu sehen.
Für einen Moment dachte ich daran, sie zu verfolgen, aber sie war flink und zu schnell für mich. Sie hatte kurz nach der ersten Aktion schon den zweiten Baum erreicht, turnte weiter, und ich konnte ihren Weg nur durch das Rascheln verfolgen, das allerdings sehr schnell wieder verstummte.
»Das ist es dann wohl gewesen«, sagte Suko, der wieder auf den Beinen stand, den Rücken durchdrückte und mit seinen Händen darüber hinwegstrich. Er grinste mich an. »Pech gehabt, John. Der Schlag war nicht mal so hart. Er hat mich nur an einer ungünstigen Stelle erwischt, wie eine perfekt gesetzte Akupunkturnadel. So war ich für einen Moment wirklich von der Rolle.«
»Und wer hat dich angegriffen?«
Suko zuckte die Achseln. »Hast du ihn nicht besser gesehen, Alter? Oben im Baum?«
»Ja und nein. Ich sah so etwas wie ein Gesicht.«
»Menschlich?«
»Ja und nein. Mehr wie Rinde. Auch in einer ähnlichen Farbe. Ein Waldgesicht. Das Gesicht eines Wesens, das hier im Wald lebt. Aber auch zugleich jemand ist, den es nicht geben kann und nicht geben darf. Zumindest nicht in unseren Breiten, in denen alles normal ist.«
»Normal sein sollte«, sagte Suko. Er drehte sich jetzt in den Hüften, um mehr Schwung zu bekommen. »Aber hier ist nichts normal. Ich denke an Aibon und jetzt, wo du mir von dem Gesicht erzählt hast, denke ich auch an ein anderes Wesen. Mandragoro liegt praktisch in der Luft. Oder wie siehst du das?«
»Ähnlich.«
Suko beugte den Körper vor und streckte die Arme dem Boden entgegen. Eine neue Gymnastik bereitete ihm auch keine Probleme. Er konnte sich wieder als fit bezeichnen. »Nur ähnlich?«
»Ja.«
»Warum?«
Ich wartete, bis er seine Übungen unterbrach und zählte auf.
»Wir haben diesen Spiegelmann und den Kobold in der Kugel gesehen, dann sah ich das Gesicht des Waldmanns. Wenn wir bei diesen drei Entdeckungen bleiben, Suko, muss ich einfach davon ausgehen, dass nur einer zu Mandragoro passt. Nämlich der Letzte. Die anderen nicht. Sie waren zu weit von dem Umwelt-Dämon entfernt. Und wer weiß, was uns hier noch alles erwartet.«
Suko war nicht so leicht zu überzeugen. »Aibon und Mandragoro. Kannst du dich damit anfreunden?«
»Nur bis ich eine bessere Lösung gefunden habe. Ansonsten bleibe ich abwartend.«
Suko hatte seine Lampe wieder aufgehoben und ließ den Lichtkegel durch das Geäst der Bäume huschen. Zu entdecken war nichts. Abgesehen von einigen
Weitere Kostenlose Bücher