1239 - Der Einsame der Tiefe
entschied das Tabernakel von Holt. „Ihr werdet Verwirrung unter den Jaschemen stiften und möglichst viele von ihnen gefangen setzen. Was mit ihnen weiter geschieht, werden wir dann sehen!"
*
Artenag Vaun hatte sich in der Mitte der Hohlkugel postiert. In seiner Nähe bewegte sich Lumamber Draft unruhig hin und her. Immer wieder gab er der kleinen kybernetischen Plattform Anweisungen, ihre Position in der Schwerelosigkeit zu ändern.
Die Luft in der Kommunikationszentrale erschien dem Jaschemen verbraucht und stickig. Er bildete zusätzlich Augen aus und musterte das matte Grün, das von den leuchtenden Kybermodulen an der Wandung der Hohlkugel kam. Es flackerte immer dann, wenn in der Düsternis einer der Technotoren seinen Standort veränderte und einen Teil der Leuchteinheiten verdeckte.
Seltsam, dachte Vaun. Sie fliegen nicht sinnlos in der Hohlkugel herum wie früher. Sie reden nicht durcheinander. Es scheint, als habe jeder Angst davor, das erste Wort zu sprechen.
Der Jascheme gab sich einen Ruck. Sie durften nicht länger zögern. Sie alle kannten die neuesten Meldungen aus den Randbezirken des Jaschemenreichs. Die Graugebiete breiteten sich immer mehr aus, ihr Vormarsch war unaufhaltsam. Der Kampf der eingesetzten Kyberheere war sinnlos, da sie innerhalb kürzester Zeit vom Graueinfluß umgewandelt wurden und gegen die Fabriken der Technotoren vorrückten. Es war eine Frage der Zeit, bis sie das Technotorium erreichten.
Kein Jascheme tat etwas, um diese Entwicklung aufzuhalten. Aber jeder fragte sich, warum nichts dagegen unternommen wurde.
„Hört Ihm zu", erhob Vaun seine Stimme. „Ihr kennt Ihn als einen entschiedenen und konsequenten Jaschemen. Dennoch ist auch Er verwirrt. Er hatte zu Anfang geglaubt, die Ritter der Tiefe und ihre Begleiter seien an der ganzen Entwicklung schuld. Erst später kam Er auf den Gedanken, daß es an den Jaschemen selbst liegen könnte, was geschah.
Nun sind Rarg und Nald seit Stunden oben unter der Tiefenkonstante, und noch immer gibt es keine Veränderung. Der Tod der Ritter der Tiefe sollte angeblich die WAND schließen. Wenn sie in der Tiefe aufgegangen sind oder vom Einsamen auf eine andere Weise bestraft wurden, dann müßte das längst stattgefunden haben. Und was geschieht?
Die WAND wird immer durchlässiger, es entstehen überall neue Risse. Sind es wirklich die Ritter, die das bewirkt haben? Oder liegt es an Rarg und Nald?"
Wütende Rufe klangen auf. Mehrere Dutzend Jaschemen setzten sich in Bewegung und drifteten auf Vaun zu. Lumamber Draft erhob seine Stimme.
„Es geht um unser Volk", rief er. „Deshalb bleibt vernünftig und laßt euch nicht von Launen leiten. Erinnert ihr euch nicht an Vlot und Calt? Beteuern sie nicht unablässig, daß die Ritter der Tiefe unsere Freunde sind und uns helfen wollen, den Graueinfluß zu beseitigen? Sind es nicht allein Rarg und Nald, die das Gegenteil behaupten?"
„Was willst du?" wurde er gefragt.
„Er will, daß wir eine Gruppe ausgesuchter Technotoren hinaufschicken zum Einsamen der Tiefe. Sie müssen feststellen, was dort oben geschieht oder geschehen ist. Mehr will Er gar nicht verlangen. Es ist unverantwortlich, daß wir keine Nachrichten aus dem Transmitterdom mehr erhalten."
Es fand eine hastige Abstimmung statt. Alle anwesenden Jaschemen stimmten für den Vorschlag, und rasch wurde eine Gruppe aus zehn Technotoren zusammengestellt, die sofort aufbrach. Vaun und Draft gehörten dazu. Sie verließen ihre Plätze und machten sich auf den Weg zu dem Ring, der den Übergang zum Würfel markierte. Außerhalb der Kommunikationszentrale warteten mehrere Kyberneten in Jaschemengestalt auf sie.
„Die Gefangenen sind ausgebrochen", meldeten sie. „Was sollen wir tun?"
Artenag Vaun wußte nicht mehr, wo seine Gedanken lagen. Er versteifte sich und blieb reglos am Durchgang hängen.
„Die Gefangenen?" echote er dumpf.
„Die beiden Orbiter und die knapp fünftausend Exterminatoren. Sie marschieren quer durch den Würfel. Auch Vlot und Calt sind verschwunden!"
„Diese Verräter!" schrie einer der Jaschemen. „Wir müssen zu Rarg und Nald und neue Anweisungen einholen!"
„Vertreibt die Exterminatoren aus dem Würfel und seht zu, daß sie nicht zur Kommunikationszentrale vordringen", wies Vaun die Kyberneten an. Er selbst steuerte den nächstbesten Transmitteranschluß an.
Die neun Jaschemen folgten ihm.
Sie wußten, daß sie jetzt keine Zeit verlieren durften.
*
Das Metall der Wand
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