124 - Auf der Todesgaleere
Verzweifelt versuchte er freizukommen, und er schrie immer wieder und immer schriller meinen Namen.
Ich packte Shavenaar mit beiden Händen, hob das starke Schwert und wollte den Tentakel durchschlagen, aber da traf mich mitten in der Ausholbewegung ein anderer Fangarm, so daß ich das Gleichgewicht verlor und stürzte.
Eine Handvoll Sand sprang mir förmlich in den offenen Mund. Ich spuckte angewidert und federte hoch.
Der Krake hatte bereits Ben Tallant zwei Meter weit gezogen. Ich sah den roten Kopffüßler im seichten Wasser. Ständig stürzten Wellen über ihn hinweg, und er starrte mit dunklen, gierigen Augen.
Er sollte Ben nicht bekommen. Wieder peitschte eine Tentakel auf mich zu, als ich mich für meinen Begleiter einsetzen wollte, doch diesmal bekam ich die Attacke rechtzeitig mit und reagierte.
Shavenaar sauste los und durchtrennte den Fangarm mühelos - als bestünde er nur aus einer gallertartigen Masse. Ehe der Krake einen weiteren Fangarm gegen mich einsetzen konnte, hieb ich jenen durch, der Bens Bein umklammerte.
Damit gab ich mich aber nicht zufrieden. Ich griff das Ungeheuer an, stürzte mich ins Wasser und durchbohrte den Körper des Höllenfeindes mit dem Höllenschwert.
Shavenaar zersetzte den Kraken. Das Untier löste sich auf und färbte das Wasser rot. Aber nur für kurze Zeit, dann verblaßte die Farbe mehr und mehr, bis sie nicht mehr zu sehen war.
Nicht auszudenken, wenn der Krake eher hiergewesen wäre, ging es mir durch den Kopf. Als Ben und ich noch bewußtlos gewesen waren.
Ich schleifte Ben Tallant aus dem Wasser, ließ ihn in den trockenen Sand sinken und fragte ihn, ob er nun wisse, wo wir uns befänden.
»Ich ahne es«, sagte er heiser. »In der Hölle.«
»Pan Allac hätte jeden anderen Kurs einschlagen sollen, nur nicht diesen«, bemerkte ich. »Denn wie es aussieht, hat er sich damit selbst nichts Gutes getan.«
»Du glaubst, er ist tot? Pan Allac ist verdammt zäh, Tony.«
»Ich hoffe für uns, daß er nicht so viel Glück hatte wie wir«, erwiderte ich. »Hör zu, du bleibst hier liegen.«
»Was hast du vor?«
»Ich sehe mich bei den Klippen um«, sagte ich.
»Du läßt mich allein? Aber…«
»Ich bin bald wieder zurück.«
»Wenn dir etwas zustößt, bin ich verloren. Nur du kannst mich beschützen.« Ich lächelte den ehemaligen Galeerensträfling aufmunternd an, »Keine Sorge, ich bleibe dir erhalten.«
Ich fragte ihn, ob er mit zwei Fingern pfeifen könne, und riet ihm, sofort einen schrillen Pfiff auszustoßen, wenn ihm irgend etwas verdächtig erschien.
Dann entfernte ich mich - sehr wachsam. Und mit Shavenaar in der Hand. Ich erreichte bizarre Riffe und schroffe nasse Felsen, die steil aufragten und an denen ich hochkletterte, um mir einen besseren Überblick über Strand und Meer zu verschaffen.
Muscheln mit scharfen Rändern waren am moosigen Gestein festgewachsen. Man konnte sich an ihnen leicht schneiden. Ich wäre nicht in der Hölle gewesen, wenn es sich um gewöhnliche Muscheln gehandelt hätte.
Sie reagierten auf meine Nähe, öffneten sich wie kleine Mauler, die gierig darauf warteten, zubeißen zu können. In ihrem Inneren glänzten schwarze Zähne.
Verdammt, Asmodis konnte stolz sein auf sein Reich.
Noch war er der unumschränkte Herrscher, aber Loxagon, sein Sohn, hatte ihm seinen Platz auf dem Höllenthron schon einmal streitig gemacht.
Angeblich hatten sie sich irgendwie arrangiert, um sich gegenseitig nicht mehr ins Gehege zu kommen, doch ich glaubte nicht, daß sich Loxagon an irgendeine Abmachung hielt, sobald sie nicht mehr in seinem Sinn war.
Er würde erneut nach dem Thron greifen, wenn er sich stark genug dazu fühlte, womöglich mit Shavenaar in seinen Händen. Wie das zu verhindern war, wußte ich nicht, Es hätte irgendeine Möglichkeit geben müssen, Shavenaar für den Teufelssohn unbrauchbar zu machen. Derzeit war das Schwert eine Waffe. Eine außergewöhnliche Waffe zwar, aber doch nur eine, die man auf beiden Seiten einsetzen konnte.
Man hätte aus Shavenaar eine weiße Waffe machen müssen, dann wäre sie für die schwarze Seite - und somit auch für Loxagon - verloren gewesen.
Aber wer sollte dieses Kunststück fertigbringen? Ich sah mich dazu außerstande.
Während des Kletterns berührte ich den Felsen so wenig wie möglich, und ich achtete auch darauf, mich nicht zu verletzen, denn ich wußte nicht, wie die Muscheln auf mein Blut reagiert hätten.
Ich stützte mich lieber auf Shavenaar und erreichte den
Weitere Kostenlose Bücher