124 - In der Gewalt der Daa'muren
gerichtet, stapfte sie aus dem Farnfeld. »Miouu! Hörst du nicht, was er sagt?«, quengelte Ann. »Es ist nicht die Zeit für Brabeelen…!« Canada blieb am Rande des Farnfelds stehen und bellte.
Miouu kümmerte sich nicht darum; sie lief über die Lichtung und betrat die Kirchenruine. Links und rechts klafften riesige Lücken im Gemäuer, sodass man meinte, nur ein freistehendes Portal durchquert und weiter nichts als Wald betreten zu haben. Nach vorn aber erstreckte sich ein dunkler, hoher Raum voller Steine, Gestrüpp, teilweise eingestürzten Säulen und Zwischenwänden. Einen halben Speerwurf entfernt fiel Licht durch zerbrochenes Buntglas in das Dickicht zwischen den Mauern. Die Umrisse eines Kreuzes zeichneten sich dort ab. Miouu drehte sich um und winkte den anderen.
»Kommt endlich! Wir sind da!«
Die beiden Palastgardisten bückten sich unter dem Efeuvorhang durch und betraten die Ruine. Der Doyzdogger folgte nur widerwillig. Er knurrte und hatte die Ohren angelegt.
»Will zu Jennymom…«, jammerte das Mädchen.
Die Palastgardisten sahen sich um. »Und wo sind jetzt deine bescheuerten Brabeelen?« Einer pflanzte sich vor Miouu auf, stemmte die Fäuste in die Hüften und beäugte sie voller Misstrauen. »Willst du uns verarschen oder was gibt das hier, wenn es…«
So schnell, wie sie eine der Klingen aus ihrem Gürtel hervor zog, konnte sein Blick gar nicht folgen. Er zuckte kurz zusammen, starrte ungläubig auf den Dolchgriff, der aus seinem Bauch ragte, und sackte langsam in die Knie.
»Hey, was ist mit dir?« Der zweite begriff überhaupt nicht.
Er lief herbei, sah den Griff im Leib des knienden Kameraden und langte nach seinem Schwert. Im nächsten Moment hallte ein trockenes, knirschendes Geräusch durch die Ruine – ein Speer traf den Soldaten im Rücken. Die blutige Spitze drang aus seiner Brust. Die Wucht der Wurfwaffe schleuderte ihn bäuchlings zu Boden.
Der Doyzdogger kläffte, Ann hockte zitternd im Sattel.
Leichenblass war sie, ihr Unterkiefer zitterte. Leise begann sie zu weinen. Miouu stand wie unbeteiligt, betrachtete die beiden Toten, den kläffenden Canada und das geschockte Kind.
Eine Gestalt brach aus Gestrüpp und Dunkelheit der Ruine.
Kein Mensch… eine Echse, aufrecht gehend und groß wie ein Mann! Ann wurde ganz steif und schnappte nach Luft. Der Doyzdogger warf das Kind ab und stürzte sich auf den Angreifer…
***
Beelinn, Mitte Oktober 2520
Ein sonniger Herbsttag. Der Wind war mild und die Nachrichten vom Westtor beunruhigend. »Komische Kerle, ganz komisch.« Bulldogg schaukelte neben Jenny her über den Fahrweg zum Westtor. Er schien aufgeregt. »Sprechen übrigens unsere Sprache. Nur die Frau sagt kein Wort.«
Die Mauerwächter hatten drei Fremde gemeldet, eine Frau und zwei Männer. Sie begehrten Einlass. Die Schilderung des Trios hatte Jenny alarmiert. Sie wollte persönlich ein Auge auf die Leute werfen.
Die Königin und ihr Gardistenoberst erreichten das Tor.
Oben auf dem Wehrgang standen sieben oder acht Armbrustschützen und zielten mit ihren gespannten Waffen über die Zinnen. Zwei Wächter öffneten ihrer Königin und dem einäugigen Hünen einen Torflügel. Ein paar Schritte vor dem Tor stand eine Reihe Speerträger, vor ihnen fünf Schwertkämpfer mit blank gezogenen Klingen. Die Soldaten öffneten ihre Formation, sodass Jenny und Bulldogg hindurch treten und den drei Fremden entgegen gehen konnten. Etwa zwanzig Schritte vor ihnen blieben sie stehen.
Einer der Männer erhob sich sofort aus dem Gras und kam auf sie zu. Er war kahlköpfig, nicht eben groß und trug einen hellgrauen, ziemlich schmutzigen Anzug aus seinem Stück. Er erinnerte Jenny an eine Pilotenkombi. Sogar ein Helm gehörte zu dem Kleidungsstück, den allerdings hatte der Mann in den Nacken geklappt.
Die Frau blieb im Gras vor dem längst abgeernteten Maisfeld sitzen. Ihre Glieder waren lang und schlank. Ein Fellmantel verhüllte ihren ansonsten nur mit Lederharnisch und einer Art Lendenschurz bekleideten Körper; ein schöner Körper, ganz ohne Zweifel. Ihre Füße steckten in hohen Schnürstiefeln und ein Langschwert ragte neben ihr aus dem Gras. Ihr Gesicht strahlte eine kalte Schönheit aus, die Augen glitzerten grünlich und gefielen Jenny ganz und gar nicht.
Der Mann, der sich vor ihr ausgestreckt hatte und dessen kahler Kopf und nackter Oberkörper auf ihren Schenkeln und in ihrem Schoß ruhten, kam Jenny sehr jung vor. Sein Anzug sah ähnlich aus wie der seines
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