1240 - Das Knochenkreuz
sie doch auf van Akkeren hin. Denn er war derjenige, der nach bestimmten Knochen suchte. Das hatten wir ja erlebt. Immer stärker gingen wir davon aus, uns auf der richtigen Spur zu befinden.
»Hört sich nicht schlecht an«, sagte ich. »Kann Jolanda die Männer denn beschreiben?«
»Frag sie.«
Ich wandte mich an die alte Frau. Als sie meine Frage gehört hatte, verzog sie das Gesicht und deutete mir damit an, dass sie schon ihre Probleme bekommen würde.
»Es sind ja sehr viele Menschen hier in Hora. Manchmal quillt der Ort über. Da kann man sich schlecht Gesichter merken. Aber diese beiden kamen recht spät. Da war der große Trubel schon vorbei. Sie sprachen auch gebrochen Deutsch. Ich wunderte mich über die Fragen, und sie merkten bald, dass ich ihnen nicht helfen kann. Ich habe ihnen ein kleines Buch über die Geschichte der Knochenkirche gegeben, das ihnen nicht weiterhalf, wie sie mir sagten. Schließlich habe ich sie zu Karel Kollek geschickt.«
»Wer ist das?«
»Der Pfarrer«, sagte Annica.
»Gute Idee.«
Jolanda lächelte. »Was sie bei ihm gehört haben, weiß ich nicht. Sie sind verschwunden, und mit dem Pfarrer habe ich darüber nicht gesprochen. Da müsst ihr ihn schon selbst fragen. Wenn ihr das tut, bestellt ihm schöne Grüße.«
»Machen wir«, versprach ich.
Für Jolanda war das Thema erledigt. Sie wandte sich wieder an Annica Dobel. Abermals redete sie auf sie ein, aber unsere Kollegin lachte und schüttelte immer wieder den Kopf.
»Was wollte sie denn?«, fragte ich.
»Nichts Besonderes, John. Sie interessierte sich nur dafür, ob ich noch meine Eltern und die alten Freunde besuche. Ich habe sie dann auf später vertröstet. Andere Dinge sind jetzt wichtiger, denke ich. Wir müssen vor allen Dingen in die Kirche und wahrscheinlich auch mit dem Pfarrer reden - oder?«
Da hatte sie das ausgesprochen, was wir dachten.
»Vor oder nach dem Besuch in der Kirche?«, fragte Suko.
»Ich würde vorher sagen.«
»Warum?«
Annica lächelte. »Er hat den Schlüssel. Um diese Jahreszeit ist die Knochenkirche abgeschlossen.«
»Du bist hier die Chefin«, erklärte ich und erntete daraufhin nur ein helles Lachen.
Es gab noch mal die großen Umarmungen, bevor wir den Souvenirladen verließen. Diesmal konnten auch wir ihnen nicht entgehen und bekamen gesagt, dass Annicas Freunde auch ihre Freunde wären, was uns dann sehr freute.
Im Geschäft war es warm gewesen. Ich war froh, wieder die frische Luft einatmen zu können, die der Wind über die Kuppen der Hügel herantrieb. Bisher war nichts passiert, zumindest nicht hier in Tschechien. Aber ich ahnte, dass sich das ändern würde…
***
Wir waren einen Teil der Strecke mit dem Wagen gefahren und hatten ihn in der Nähe der Kirche, des Friedhofs und zugleich des kleinen Pfarrhauses abgestellt.
Ich wollte nicht unken, aber das Pfarrhaus hatte den Charme eines Krematoriums. Ich konnte mir deshalb gut vorstellen, dass man dort Leichen verbrannte. Sogar ein recht hoher Schornstein ragte vom Dach her in die Höhe.
Der Wind war schon unangenehm.
Er erfasste alles, was nicht niet- und nagelfest war. Dazu gehörten auch die Blätter, die sich von den Bäumen gelöst hatten und nun über den Friedhof geweht wurden, der mit zahlreichen Grabsteinen geschmückt war, die in ihrer Höhe an einzelnen Stellen die nicht sehr hohe und alte Mauer überragten, an der sich Efeu und andere Ranken hochgeschoben hatten.
Am Pfarrhaus war das nicht der Fall. Dunkelrote Steine bildeten die äußere Fassade, in der die kleinen quadratischen Fenster kaum auffielen.
Die Kirche warf ihre Schatten fast bis zum Pfarrhaus hin. Sie war sowieso das alles überragende Gebäude. Ich konnte es nicht fassen und warf wieder einen Blick zum Turm hoch.
Von der Spitze her schien mich der Schädel wieder höhnisch anzugrinsen, als wollte er mir auf diese Art und Weise mitteilen, dass ich hier am Ende meines Lebenswegs angekommen war.
Aber da hatte ich noch ein Wort mitzureden.
Über einen schmalen Weg, auf dem sich bunte Blätter verteilten und zumeist auf dem feuchten Untergrund festklebten, näherten wir uns dem Pfarrhaus.
Ich mus ste daran denken, dass wir schon sehr oft einen ähnlichen Weg gegangen waren, denn Geistliche hatten in vielen unserer Fälle eine tragende Rolle gespielt.
Die Tür hatte auch schon Generationen überlebt. Auf der Außenseite sahen wir zahlreiche Kratzer. Irge ndjemand hatte noch zu den Zeiten des Kalten Krieges Parolen gegen die Kirche in das
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