1244 - Die Besucher
überlegen.«
»Ich weiß, Mum, aber ich kann es wirklich nicht. Tut mir Leid, alles ist weg.«
»Und was war, als du wach geworden bist?«
»Da lag ich im Bett und hatte diese Kopfschmerzen, wie immer nach den Träumen.«
Es war gut, dass er den Begriff erwähnt hatte. Träume war genau das Richtige. Das hatte Germaine ihrem Sohn eingehämmert, dass er unter schlimmen Träumen litt und all das nicht in der Realität erlebte. So hoffte sie, dass er das Unwahrscheinliche besser verkraftete. Auch wenn die Menschen im Ort mittlerweile anders darüber dachten, denn ihnen war schon etwas aufgefallen.
Man sprach über das ungewöhnliche Licht in der Nacht, aber man traute sich nicht offen darüber zu reden, obwohl es immer in der Nähe eines bestimmten Hauses erschienen war, nämlich bei den Ducs. Aber die Stimmung hatte sich verändert. Sie war noch negativer geworden, und die Blicke der Menschen glichen Drohungen, das hatte Germaine Duc sehr gespürt.
Sie hatte mit Kevin über dieses Thema nicht gesprochen, doch sie wusste genau, dass der Junge nicht dumm war, denn auch seine eigenen Schulkollegen hatten ihn mit seltsamen Fragen gelöchert.
Germaine lächelte ihren Sohn an. »Es wird alles wieder gut werden«, erklärte sie. »Irgendwann sind die Träume vorbei, und dann kannst du darüber nur lachen. Okay?«
»Das weiß ich nicht.«
»Doch, ich verspreche es dir. Freu dich einfach darauf, dass wir heute Besuch bekommen. Aber jetzt versuche erst mal zu schlafen. Wer so schlechte Träume gehabt hat, der muss einfach viel Schlaf nachholen. Das ist doch klar.«
Sie hoffte, dass Kevin alles genau verstanden hatte, obwohl sein Blick irgendwie nach innen gekehrt war.
Germaine Duc verließ das Zimmer ihres Sohnes mit keinem guten Gefühl. Es wäre noch schlechter gewesen, wenn sie den Tag über allein mit Kevin geblieben wäre. So aber vertraute sie auf ihren Besuch, denn Maxine hatte ihr versprochen, jema nden mitzubringen, dem sie die volle Wahrheit sagen konnte, denn er würde Verständnis für ihre Probleme mitbringen.
Das alles war klar, darauf freute sie sich auch. Sie rechnete damit, dass die beiden am frühen Nachmittag eintreffen würden und zuckte zusammen, als sie die schrille Türklingel hörte. Der Ton hämmerte durch das gesamte Haus, und eigentlich hatte sie die Klingel schon längst auswechseln wollen, aber sie war nie dazu gekommen.
Auch an ihre Arbeit war heute nicht zu denken. Mit dem Gedanken beschäftigte sie sich, als sie auf die Haustür zuging und zunächst mal durch das schmale Fenster an der Seite schaute, um zu sehen, wer sie besuchen wollte.
Es war der Bürgermeister. Er hieß McGift und zog ein Gesicht, das nichts Gutes verhieß.
Sie öffnete ihm trotzdem die Tür und sagte: »Kommen Sie rein, Robert!«
***
McGift stand noch einen Moment unschlüssig vor der von Katzenkrallen zerkratzten Matte und schaute an der Frau vorbei, als wollte er sich vergewissern, dass sie allein war.
Der Bürgermeister stammte aus Kiltegan. Seine Vorfahren hatten schon ewig hier gelebt. Entsprechend hoch war sein Ansehen. Den Job führte er nur nebenberuflich aus. Sein Geld verdiente er mit der Zucht von Schafen. Er war der größte Schafzüchter in der Umgebung und beschäftigte acht Mitarbeiter.
Er war um die 40. Sein Haar war schon grau geworden und wuchs ihm lang in den Nacken. Germaine mochte den Mann nicht, weil sein Gesicht mit dem leicht schiefen Mund immer etwas Verschlagenes widerspiegelte. Aber sie ging auch davon aus, dass sich schließlich kein Mensch malen konnte. Aber er konnte an seinem Charakter arbeiten, und genau das hätte McGift tun müssen, denn für sie war er nicht eben der ideale Mensch.
»Nur für einen Moment.«
»Bitte.«
Sie führte ihn nicht ins Wohnzimmer sondern in die Küche, die ebenso wie der Flur mit Fliesen ausgelegt war. Diese Unterlage passte besser zu den schmutzigen Schuhen des Mannes, der sich auf einen Küchenstuhl setzte, nachdem er die Jacke abgestreift hatte.
»Kann ich Ihnen was zu trinken anbieten? Einen Schnaps oder einen Kaffee?«
»Nein, so lange bleibe ich nicht.«
Germaine nahm ihm gegenüber Platz. »Und jetzt bin ich gespannt, was Sie von mir wollen.«
McGift knetete seine Hände. Er war jemand, der das offene Wort liebte, wie er selbst sagte, aber jetzt sah er bedrückt aus und ergriff auch noch nicht sofort das Wort.
»Bitte, Robert, wenn Sie es eilig haben, dann sagen Sie, was Sie zu mir führt.«
»Das ist nicht so einfach«, murmelte
Weitere Kostenlose Bücher