1244 - Die Besucher
er und versuchte, dem Blick der Frau auszuweichen. »Ich möchte mit Ihnen über ein bestimmtes Thema sprechen. Über Sie persönlich.«
»Das ist ja mal was Neues. Ich höre.«
McGift hob den Blick wieder an. Er drehte und wand sich noch immer. »Es ist nicht einfach, das zu sagen«, erklärte er, »und ich rede auch nicht für mich, sondern für fast alle Einwohner hier in Kiltegan. Wir möchten, dass sie unseren Ort so schnell wie möglich verlassen. Ja, das wollte ich Ihnen sagen.« Jetzt, da es heraus war, fühlte er sich erleichtert.
Germaine Duc aber glaubte, sich verhört zu haben. Sie sagte zunächst mal nichts, schüttelte schließlich den Kopf und ärgerte sich wieder, dass sie so rot anlief.
»Das… das… ist doch nicht Ihr Ernst - oder?«
»Doch, es ist mein Ernst.«
»Sie wollen also, dass Kevin und ich hier verschwinden, obwohl wir schon verdammt lange hier wohnen.«
Der Bürgermeister strich über sein Gesicht, weil er plötzlich schwitzte. »Ich bin ja nicht der einzige, der das meint. Alle, die ich gesprochen habe, stehen voll und ganz dahinter. Ich bin eben der Offizielle hier und habe die Meinung weitergegeben.«
»Ja, und ich habe sie gehört, McGift. Aber, verdammt noch mal, warum soll ich von hier verschwinden? Ich tue keinem etwas. Ich gehe meinem Job nach, ich falle keinem Menschen aus dem Dorf zur Last. Ich bin weder krank noch pflegebedürftig. Also warum wollen Sie mich hier aus Kiltegan weghaben?«
»Die Menschen haben es so beschlossen.«
»Schön. Warum?«
»Weil Sie stören!«
»Aha, sehr gut. Und das fällt Ihnen nach all den Jahren erst jetzt auf? Wirklich toll. Sie und die anderen Einheimischen scheinen verdammt langsam im Denken zu sein.«
»Das hat damit nichts zu tun.«
»Womit dann?«
»Sie passen nicht hierher!«
Germaine lehnte sich zurück und lachte. Sie hob zwei Finger an und zählte auf. »Erstens störe ich und zweitens passe ich nicht hierher. Das ist sagenhaft, McGift. Das ist wirklich unwahrscheinlich und unglaublich. Das packe ich einfach nicht. So verbohrt kann man doch gar nicht sein.«
»Das ist aber so«, erklärte er.
»Nein, McGift, das glaube ich Ihnen nicht. Dahinter steckt etwas ganz anderes. Das lasse ich mir nicht von Ihnen erzählen. Kommen Sie, seien Sie nicht feige. Rücken Sie mit dem wahren Grund heraus, sonst drehe ich hier noch durch.«
Der Bürgermeister zuckte mit den Schultern. »Sie wissen doch selbst, was hier im Ort geschehen ist.«
»Ach ja?«, höhnte sie. »Was soll ich denn wissen? Ich habe mich niemals an eurem beschissenen Dorfklatsch gestört. Ich war in keinem Verein, sondern habe nur hier gelebt und meinen Job gemacht. Dass mein Mann abgehauen ist, das kann jeder Frau passieren. Ist auch kein Beinbruch, wenn man stark genug ist, um sich selbst durchzuschlagen, was ich ja geschafft habe. Dass es einigen Herrschaften nicht passte, weiß ich ebenfalls, kann daran aber nichts ändern. Getrennt zu leben, ist immer noch besser, als in mancher Ehehölle zu stecken, aus der man auf Grund seiner Erziehung und seines Glaubens nicht herauskommt. Da gibt es ja einige Frauen im Ort, die dieses Los tragen.«
»Das weiß ich nicht. Das interessiert mich auch nicht.«
McGift blockte ab, weil er wusste, dass er auch nicht gerade der ideale Ehemann war. »Jedenfalls sollen Sie so schnell wie möglich hier weg und ich mache Ihnen sogar einen guten Vorschlag.«
»Da bin ich aber gespannt.«
»Ich werde Ihr Haus zu einem guten Preis kaufen. Das ist ein faires Angebot.«
»Ja«, sagte Germaine und nickte. »Es ist möglicherweise ein faires Angebot. Aber was geschieht, wenn ich darauf nicht eingehe? Wollen Sie mir dann das Haus abbrennen und mich als Hexe auf den Scheiterhaufen stellen? Ist das des Rätsels Lösung für Sie?«
»Nein.«
»Was dann?«
McGift kratzte über seine linke Wange. »Da werden sich die Leute etwas überlegen, fürchte ich.«
»Was denn?«
»Keine Ahnung. Mein Vorschlag steht. Ich kaufe Ihnen das Haus ab und Sie ziehen noch vor Weihnachten aus. Etwas Besseres kann ich Ihnen nicht bieten.«
»Doch, Robert, können Sie!«
Die scharfe Stimme hatte ihn leicht zusammenzucken lassen.
»Was wollen Sie noch?«
»Es ist ganz leicht. Ich will nur die Wahrheit wissen. Die reine Wahrheit, weshalb man mich hier in Kiltegan nicht mehr haben will. Das ist doch nicht zu viel verlangt - oder?«
»Ist es wohl nicht.«
»Super. Und wie sieht diese Wahrheit aus? Was, zum Henker, wirft man mir tatsächlich
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