1244 - Die Besucher
verband einige Ortscha ften miteinander und hörte erst in der Nähe der Küste auf, wo das Land flach und auch grün war.
Schließlich erreichten wir Kiltegan. Ich musste daran denken, wie oft ich schon in fremde Dörfer hineingefahren war, die mich nicht gerade wie einen Helden empfangen hatten, sondern deren Bevölkerung ziemlich abweisend gewesen war, weil sich hinter den Fassaden oft genug etwas Unheimliches verbarg, das kein Fremder zu Gesicht bekommen sollte. Was mich hier erwartete, wusste ich nicht, doch ich rechnete mit allem, obwohl Germaine in diese Richtung hin nichts hatte verlauten lassen.
Wir mussten von der Straße abbiegen, die sich weiter vorn zwischen den Hügeln verlief.
Es war ein normaler Wochentag, aber in Kiltegan war das Leben irgendwie eingeschlafen. Auch besaß der Ort nicht unbedingt einen dichten Kern. Die Häuser waren von ihren Bewohnern praktisch willkürlich gebaut worden, denn sie hatten genügend Platz gehabt. Sie sahen nicht eben neu aus.
Einige wirkten verfallen und in den grauen Fassaden zeigten sich Risse. Vor einigen bauten sich Steinmauern auf, um den Wind abzuhalten und die Kirche sah aus wie ein Klotz aus grauen Steinen.
Ich musste an die Insel Sylt denken, auf der ich noch vor kurzem gewesen war. Man konnte die Häuser dort mit diesen überhaupt nicht vergleichen, und es war auch zu sehen, dass die Menschen hier mit weniger Geld auskommen mussten.
Es war eine einsame Umgebung, in der ich nicht tot überm Zaun hängen wollte, wie man so schön sagt.
Maxine hatte das Tempo gedrosselt. Sehr langsam fuhren wir weiter und ich sah, dass sie den Kopf schüttelte.
»Denkst du über deine Freundin nach?«
»Genau, John. Ich frage mich, wie man hier nur wohnen kann. Aber anscheinend geht es. Und im Internet-Zeitalter ist sowieso alles irgendwie möglich. Da kann man auch von einem Schreibtisch in dieser Einsamkeit sein Geld verdienen.«
»Ein Vermögen scheint sie nicht gemacht zu haben.«
»Das bestimmt nicht«, erwiderte Max lachend.
Mir lag etwas anderes auf dem Herzen und ich ließ es heraus.
»Weißt du eigentlich, wo Germaine wohnt?«
»Nein. Und deshalb werden wir fragen.«
Der Cheerokee rumpelte jetzt noch langsamer über das holprige Pflaster hinweg und wurde neben einem Haus angehalten, vor dem ein Mann saß, ein Fahrrad aufgebockt hatte und sich um die Reifen kümmerte. Der Mann drehte sich um, als der Schatten des Jeeps über ihn fiel und blinzelte gegen die blasse Sonne.
Maxine streckte ihren Kopf durch das Fenster und lächelte so freundlich wie sie konnte. »Hi und einen guten Tag. Ich hätte da mal eine Frage, Mister?«
Der Mann wischte seine Hände an einem Tuch ab und kam zögernd näher. »Ja, was ist denn?«
»Wir möchten jemanden besuchen, eine Freundin von mir. Sie heißt Germaine Duc. Können Sie uns sagen, wo sie wohnt?«
Ich hatte an Maxine vorbeigeschaut und den Mann beobachtet. Sie hatte nicht viel zu sagen brauchen. Schon nach den ersten Worten verdüsterte sich dessen Miene.
»Was wollen Sie denn von der?«
»Besuchen.«
Der Typ presste die Lippen zusammen. Er war noch jünger.
Seine Haare hingen bis zu den Schultern, die Augen wirkten klein und zusammengekniffen. »Weiter hoch. Aber überlegen Sie es sich. Germaine wird bald nicht mehr hier sein.«
»Wieso?«
»Sie zieht aus.«
»Das wusste ich nicht.«
»Ist auch neu. Wir wollen Sie nicht mehr, und Ihre Freunde sind uns auch nicht gerade willkommen. Sie verstehen, was ich meine.«
Ich mischte mich ein und sprach an Maxine vorbei. »He, warum so abweisend? Germaine hat recht lange hier in Kiltegan gelebt.«
»Das ist bald vorbei.«
»Scheint mir auch so zu sein.«
»Und wo finden wir sie?«, hakte Maxine nach.
»Fahren Sie weiter hoch. Ziemlich am Ende auf der rechten Seite. Aber bleiben Sie nicht zu lange.« Mehr sagte er nicht, drehte sich um und kümmerte sich wieder um sein Rad.
Maxine schaute mich an. Dabei hob sie die Schultern. »Sind alle Iren so unfreundlich?«
»Nein, nur wenn Sie einen Grund haben.«
»Gibt es den denn?«
Ich lächelte hintergründig. »Hätte deine Freundin dich sonst angerufen?«
»Das stimmt auch wieder.«
Für uns ging die Fahrt weiter. Ich rechnete damit, dass sich unsere Ankunft blitzschnell im Ort herumsprechen würde und wir die Bewohner nicht eben zu unseren Freunden rechnen konnten. Für mich stand ferner fest, dass sich hier etwas zusammenbraute, darüber konnte auch der winterliche Sonne nschein nicht hinwegtäuschen.
Der
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