1246 - Die Opfergrotte
habe ich nie geglaubt, auch wenn ich das als Kind immer hören musste.« Er lachte plötzlich und sagte: »Eigentlich müsste ich schreien und durchdrehen, aber ich kann es nicht. Ich bin sprachlos.«
»Mir ergeht es nicht anders.«
»Und was tun wir jetzt? Was können wir überhaupt tun? Ich… ich habe keine Ahnung.«
»Kannst du dich daran erinnern, wie wir in diese Höhle hier hineingekommen sind?«
»Nein, das kann ich nicht. Ich war bewusstlos. Wie du. Ich wurde erst später wach. Aber mir ging es nicht so schlecht wie dir. Deshalb habe ich die Zeit genutzt und konnte mich umschauen. Aber jetzt… jetzt weiß ich wirklich nicht mehr weiter.«
De Salier hatte ihm zwar zugehört, aber zugleich durch die Öffnung in die Schlucht hineingeschaut, um dort die Figuren zu beobachten, die sich nicht bewegten, sodass sich seine große Angst, sie könnten sich aus den Felsen lösen, nicht bewahrhe itete.
Aber er wusste auch, dass die großen und hässlichen Figuren nicht grundlos hier standen. Sie mussten eine Bedeutung haben. Möglicherweise waren es genau sie, auf die sich der Teufel gern verließ. Waren es seine Freunde, die mal zu den Menschen gezählt hatten und nun auf dem Weg ins Verderben hier gelandet waren?
Die verrücktesten Gedanken schossen ihm durch den Kopf, und allmählich erwachte in ihm auch der Wille zum Widerstand. De Salier fühlte sich zwar nicht topfit, aber er sah nicht ein, dass er hier oben hocken bleiben sollte. Das wollte er auf keinen Fall, zudem er in der Schlucht keinen seiner Feinde gesehen hatte.
Es gab einen Eingang, auch wenn er ihn nicht kannte. Und zu einem Eingang gehörte ein Ausgang. Zusammengefasst war es nur ein Satz, den er seinem Partner mitteilte.
»Wir müssen weg!«
Jorge schaute ihn an, als hätte er soeben etwas Unverschämtes erfahren.
»Weg, sagst du?«
»Ja.«
»Aber wohin?«
»Nach unten.«
Jorge schaute in die Tiefe. »Okay, die Leitern sind da, und sie sind auch sicherlich stabil. Aber…«
Der Templer legte Jorge eine Hand auf die Schulter. »Es gibt kein Aber mehr, Amigo. Das müssen wir jetzt durchstehen. Oder willst du hier oben verrotten und dich in dein Schicksal ergeben? Noch habe ich keinen von ihnen gesehen. Wenn sie erst mal nach oben gekommen sind, um uns zu packen, ist es zu spät.«
Der Schmuggler überlegte noch. Er war zwar ein Mann des Risikos, aber diejenigen Risiken, die er einging, waren überschaubar. Hier hatte er schon seine Probleme.
Godwin gefiel das Zögern nicht. »Hast du denn eine bessere Idee?«, fragte er.
»Nein, die habe ich nicht.«
»Also los.«
»Aber dein Zustand?«
Der Templer lachte. »Er ist nicht der beste, das weiß ich. Aber im Leben kann man nicht immer danach gehen, wie man sich fühlt. Wir müssen das Ziel erreichen.«
»Ja, Godwin, ja.« Jorge konnte sich über seinen Partner nur wundern. Einen derartig starken Willen hätte er einem anderen Menschen kaum zugetraut. Aber nur so kam man durch das Leben, das jemand wie dieser Templer führte. Er wusste nicht viel über de Salier, aber Respekt hatte dieser Mann verdient, das stand fest.
Es wäre für Godwin kein Problem gewesen, die Leiter zu überwinden. Das war leicht zu schaffen, aber die Folgen der Schläge gegen seinen Kopf hatte er noch nicht richtig überwunden, und er war froh, dass ihm Jorge half, auf der Leiter Tritt zu fassen.
Die Eisensprosse hielt, das war bereits nach der ersten Bela stung zu spüren, und auch die anderen würden unter seinem Gewicht nicht zusammenbrechen, darauf setzte Godwin.
Und so stieg er nach unten.
Er klammerte sich an den Seiten der Leiter fest. Er ging einfach automatisch, obwohl er hin und wieder das Gefühl hatte, ins Leere zu treten und dann wegzufliegen.
Plötzlich hatte er die letzte Sprosse hinter sich gelassen.
Zuerst konnte er es nicht fassen, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Er musste auch den leichten Schwindel ausgleichen, der die Welt um ihn herum scheinbar kreisen ließ, dann aber riss ihn die Stimme seines Partners aus den Gedanken.
»Alles klar dort unten?«
»Ja, du kannst kommen.«
»Okay, ich versuche es.«
Eine Hilfe konnte ihm Godwin nicht sein, und so nahm er sich die Zeit, sich hier umzuschauen.
Es war so wie er es schon von oben gesehen hatte. In den Felsspalten steckten die Fackeln und verteilten ihr unruhiges Licht in der Umgebung. Das verrückte Spiel aus Schatten und Licht kroch auch an den Wänden hoch, erreichte die monströsen Figuren und malte sie so an,
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