1246 - Die Opfergrotte
Blasen?«
»Nein, Jorge, das glaube ich nicht. Keine Blasen. Das sind irgendwelche…«
Er sprach nicht mehr weiter. Die Überraschung aber auch die Furcht hatten ihm die Worte in der Kehle erstickt, denn jetzt erkannten sie, wer da aus dem Blutsee stieg.
Es waren Menschen - Männer!
Sie drückten sich hoch. Zuerst erschienen ihre Köpfe, und es war zu sehen, wie das dicke Blut an ihnen entlang nach unten rann wie rot eingefärbtes Öl.
Fast zugleich tauchten sie auf. Gesichter, die beschmiert waren. Münder, die nach Luft schnappten, und aus denen stöhnende Laute drangen.
Es tat gut, dies zu hören. Zumindest, was die Satansdiener anging. Denn ihr Stöhnen besaß einen wohligen Klang. Sie hatten im Blutsee ein Bad genommen, und es hatte sie gestärkt, sonst hätten sie sich anders verhalten.
An Flucht war nicht mehr zu denken. Godwin und Jorge wichen zurück, bis sie die Wand im Rücken spürten, und erst jetzt fühlten sie sich etwas besser.
Alle Gesichter waren ihnen zugewandt.
Acht Feinde!
Unter ihnen befand sich auch Utrac. Er war nicht mehr gefe sselt, und er war der Erste, der dem See entstieg, wobei die dicke rote Flüssigkeit wie gefärbtes Öl aus seinen Haaren rann und sich auch in der Kleidung festgesetzt und sie getränkt hatte.
Mit einer schwerfällig anmutenden Bewegung kroch der Mann aus dem See. Das Blut der Hölle hatte ihn gezeichnet.
Es machte ihn noch schrecklicher, und als er den Kopf schü ttelte, da wussten die beiden Männer, dass ihr Schicksal besiegelt war…
***
Nein, wir hatten keinen der Templer mitgenommen, obwohl man uns das Angebot gemacht hatte. Auch Roland Tapier war zurückgeblieben, aber sein blasses Gesicht wollte nicht aus meiner Erinnerung weichen, als wir uns in Richtung Süden auf den Weg machten.
Und wieder hatten wir Glück, denn die Straßen waren schneeund eisfrei. Dafür sahen wir die weißen Berge vor uns. Eine gewaltige Wand aus unterschiedlich hohen Gipfeln, die allesamt eine helle Haube bekommen hatten.
Aus der Entfernung betrachtet sahen sie so kompakt aus, als gäbe es keine Straße und keinen Weg, der in diese Masse hinein oder über sie hinweg führte.
Suko war ein begeisterter Autofahrer. Deshalb hatte er es sich auch nicht nehmen lassen, das Steuer zu übernehmen. Er war locker, er verließ sich auf mich, und ich verließ mich auf die Karte, die auf meinen Knien lag.
Mit rotem Kugelschreiber war der Weg markiert worden. Wir konnten ihn nicht verfehlen. Die Ausrüstung würde uns entgegenkommen, und die Templer hatten uns auch Proviant eingepackt. Von Dauerwürsten über Kaffee und Tee, beides in Thermoskannen.
Nach zwei Stunden hatte uns die Bergwelt verschlungen. Wir tauchten in sie ein, und wir gewannen an Höhe. Damit fuhren wir auch, in die Kälte hinein. Schon sehr bald rumpelten die harten Winterreifen über den festgefahrenen Schnee und auch über Eisstücke hinweg, die manchmal wie übergroße Hamburger auf der Fahrbahn lagen.
Immer höher ging es.
Der Himmel über uns meinte es gnädig. Er war blank. Er blieb auch blank, als sich die Dunkelheit meldete und ihre Dämmerung schickte. Der Schnee bekam die ersten grauen Schatten, aber die Sicht war noch verhältnismäßig gut. Mit Licht fuhren wir sowieso, das wiederum vom Schnee reflektiert wurde.
Immer weiter, immer hö her. Mehr Kurven. Eine engere Fahrbahn. Felsen, um die sich die Straße herumwand und sich danach weitere einsamere Gegenden eroberte.
Nur einmal war uns bisher in den Bergen ein Fahrzeug entgegengekommen, ein Lastwagen, der sehr langsam ins Tal gefahren war.
An einer kleinen Ausweichstelle stoppte Suko den Jeep. Er rieb über seine Augen.
»Müde?«
»Nein, das nicht unbedingt. Aber ein Schluck Tee wäre nicht schlecht.«
Er bekam die Kanne, ich nahm die andere mit dem Kaffee.
Wir tranken aus den Bechern, die zugleich als Verschlüsse dienten, schwiegen ansonsten und schauten durch die Frontscheibe in die Bergwelt hinein, die noch nicht von der Dunkelheit geschluckt worden war. Zumindest nicht in den oberen Regionen, wo der Schnee hell schimmerte, als wollte er uns besondere Grüße zuschicken.
Wir aßen auch einige Kekse.
»Was sagt die Karte?«, fragte Suko kauend.
»Nicht viel.« Ich hob die Schultern. »Es ist nicht mehr weit, aber ich verlasse mich auf nichts. Niemand von uns kann wissen, wie die Verhältnisse auf der Straße weiterhin aussehen.«
»Ich denke an eine Stunde.«
»Hoffentlich.«
»Und du glaubst, dass wir richtig liegen?«
»Warum
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