1256 - Belials Bann
soll erkennen, woran er ist. Wir haben es auch erkannt, und ich werde einen Teufel tun und vor ihm kuschen.«
»Ja«, sagte sie nur.
Die Antwort hatte mir vom Klang her nicht gefallen und ich runzelte die Stirn. »Welche Probleme hast du damit?«, fragte ich.
»Ich kann nur immer wieder an das Kind denken, John. An nichts anderes mehr.« Sie ballte die Hände zu Fäusten. »Wenn ich daran denke, was dieses Monster ihm antun kann, wird mir ganz übel. Da… da… drehe ich fast durch. Das ist einfach Mist!« Sie schlug auf den Tisch und die Tasse begann zu tanzen. Dabei klirrten sie. »Lieber gegen eine Horde von Killern kämpfen, als zu wissen, dass ein unschuldiges Kind Opfer einer derartigen Bestie wird.«
Ich konnte sie verstehen, aber ich hatte mich wieder gefangen und reagierte nicht so emotionsgeladen. »Einen Vorteil haben wir auf unserer Seite, Karina.«
»Ach ja? Und welcher ist das?«
»Ich kenne Belial. Und ich kenne auch seine verfluchte Arroganz. Er nutzt sie aus. Er stellt sie in den Vordergrund. Er denkt, er wäre der Größte, denn er glaubt an seine Lüge. Man kann ihn überführen, wir müssen nur dafür sorgen, dass er die Wahrheit als Lüge anerkennt, dann haben wir ihn.«
»Vernichtet?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Nein, so weit wollen wir nicht gehen. Er ist nicht vernichtet. Es klappt so schnell nicht. Aber man kann ihn vertreiben und ich bin nicht mal sicher, ob ich ihn vernichten kann. Da müssen dann andere eingreifen, die es schaffen.«
»Wer denn?«
»Raniel, ein guter Freund, zum Beispiel… Halb Engel, halb Mensch.«
»Den kenne ich nicht«, flüsterte sie.
»Das weiß ich, aber es ist auch nicht weiter tragisch. Jedenfalls ist er ein Feind des Lügen-Engels.«
»Aber hoffen, dass er eingreift, können wir nicht - oder?«
»Nein. Es ist nur gut zu wissen, dass es auch in anderen Welten Helfer gibt.« Ich drehte mich auf meinem Stuhl, als ich mich umschaute. »Wie wäre es, wenn wir zahlen?«
»Das ist okay. Und dann zum Sender fahren?«
»Wollte ich soeben vorschlagen.«
Karina Grischin winkte der Bedienung. Sie war sehr ernst. Ich wusste, dass es in ihrem Innern kochte, denn sie hatte es schwer, die Emotionen unter Kontrolle zu halten. Die Entführung der kleinen Jamina hatte sie geschockt.
Die Kellnerin kam zu uns an den Tisch, und wir standen wenig später auf. Ich ging schon zur Tür. Sie bestand aus Glas, war auch nicht ganz dicht, und so zog die Kälte von draußen her wie ein breiter Streifen in das Innere.
Es schneite auch jetzt noch. Allerdings waren aus den harten Kristallen dicke Flocken geworden, die bereits einen weißen Teppich auf die Straße und den Gehsteig gelegt hatten.
Wie ein Leichentuch, dachte ich und hoffte, dass dies kein Sinnbild für die Zukunft war…
***
Wir machten uns beide nicht viele Hoffnungen. Was wir vorhatten, konnte auch schief gehen, aber es gab keine andere Möglichkeit, wir mussten uns Tamara und letztendlich auch Belial stellen.
Meine russische Freundin kannte den Weg. Wir redeten auf der Fahrt so gut wie nichts, denn Karina musste sich konzentrieren. Das Wetter war einfach zu schlecht, denn der vom Himmel rieselnde Schnee glich einem weißen Vorhang, der so gut wie keine Lücken aufwies. Zwar brannten die Lichter der Scheinwerfer, aber sie durchdrangen diese Wand kaum, und sie wurden auch immer wieder reflektiert.
Moskau würde unter der weißen Glocke versinken. Hinzu kam noch der steife Wind, der die Flockenwand manchmal schräg vor sich herpeitschte. Jetzt zu fahren, war wirklich eine Freude.
Wir hatten das Glück, dass der Sender nicht direkt in der Innenstadt lag, sondern weiter draußen, allerdings noch im Stadtbereich. Dort konnten wir aber den ganz großen Staus entgehen.
Dennoch kamen wir nur im Schritttempo voran. Einige Autofahrer konnten es nicht lassen und überholten. Wie fließende Gespenster, so huschten die Wagen an uns vorbei.
Als wir wieder mal halten mussten, schloss Karina für einen Moment die Augen. Dabei fragte sie mit leiser Stimme: »Was kann dieser Satan mit der Kleinen vorhaben, John?«
»Ich weiß es nicht.«
»Oder willst du es nicht sagen? Müssen wir davon ausgehen, dass er Jamina tötet?«
»Nein, das glaube ich nicht.«
Sie warf mir einen skeptischen Blick zu.
»Wirklich nicht«, wiederholte ich. »Er wird sie als Pfand benutzen wollen.«
Vor uns löste sich der Stau auf, und wir konnten unsere Fahrt fortsetzen. Der Schnee hatte mittlerweile eine dichte Schicht auf dem Boden
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