1256 - Belials Bann
bestehend aus einem verwaschenen Grau, was sich allerdings bald änderte.
Der Schatten bekam Umrisse. Er wurde zu einem Menschen, hätte man meinen können. Aber es war kein Mensch, es war Belial und zwischen seinen Klauen hielt er wie eine Puppe die kleine Jamina…
Ich sah Karinas heftige Bewegung im Ansatz. Sie wollte aufspringen, doch meine Hand war schneller.
Dabei schüttelte ich den Kopf. »Nein, bleib bitte sitzen!«
»Aber… aber…«, sie holte tief Luft, »das ist doch Belial, verdammt noch mal! Du hast ihn mir beschrieben - oder nicht?«
»Trotzdem!«
Sie protestierte weiter. »Er hat Jamina in seinen Klauen, vergiss das nicht.«
»Wir müssen jetzt die Ruhe bewahren. Er treibt sein Spiel, lassen wir es zu. Außerdem ist es nur ein Bild, eine Projektion. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er hier leibhaftig erscheinen wird. Das wagt er einfach nicht.«
Karina widersprach nicht. Aber sie stand unter Spannung, das sah ich ihr an. Sie wusste nicht so recht, wohin sie schauen sollte, und entschloss sich, die anderen Gäste zu beobachten, die von der Veränderung noch nichts bemerkt hatten. Vielleicht taten sie auch nur so, oder es war tatsächlich der Fall, dass nur Karina und ich die Veränderung in den Spiegeln erkannt hatten.
Sekunden verstrichen. Es passierte nichts. Die beiden jungen Frauen nahmen die Bestellungen auf, sie servierten, sie scherzten mit den Gästen, kassierten und bekamen des Öfteren auch größere Trinkgelder, was sich die Gäste hier erlauben konnten.
Ich beobachtete die Spiegel aus den Augenwinkeln. Mal rechts, mal links, und ich hatte den Eindruck, dass Belial sich nicht deutlich zeigen wollte. Auch das Kind war nicht genau zu sehen. Er schien uns im Ungewissen lassen zu wollen.
Aber er hatte es. Er hielt es fest. Es war völlig leblos, und ich konnte mir vorstellen, dass er es getötet hatte. Diese Vorstellung sorgte bei mir für ein Erschauern. Das Blut stieg mir in den Kopf, ich hatte Mühe, Luft zu bekommen, und Karina erkundigte sich besorgt, was mit mir los war.
»John, was ist denn?«
Ich schüttelte den Kopf. »Es geht um das Kind. Ich habe mir vorgestellt, dass Belial es…«
»Hör auf, bitte!«
»Schon gut.« Ich holte tief Luft. Im gleichen Augenblick vernahmen wir beide ein scharfes Lachen. Dazwischen hörten wir den Schrei des Kindes und dann war es still. Bis auf die normalen Geräusche in dem Café natürlich. Die übrigen Besucher schienen nichts bemerkt zu haben, denn sie redeten weiter.
Nur Karina und ich hatten Belials Abbild gesehen.
Die Russin hob ihre Tasse an und trank den Rest des Inhalts. Dann setzte sie die Tasse ab und atmete scharf aus. Sie konnte noch immer nicht fassen, was sie da erlebt hatte, und das nicht nur in einem Spiegel, sondern gleich in mehreren. Aber hatten nur wir dies gesehen? Das wollte mir nicht in den Sinn, und ich drehte langsam den Kopf zur Seite, um die Reaktionen der anderen Gäste zu beobachten.
Ja, sie hatten etwas gesehen. Jetzt war es zu erkennen. Sie schauten sich nicht nur an, sondern blickten mehr zu den Spiegeln hin. Sogar zwei junge Frauen, die gerade gehen wollten und an der Tür stehen geblieben waren, schüttelten die Köpfe und vergaßen, das kleine Café zu verlassen.
Der Besitzer, ein kleiner Mann mit großem Schnauzbart, klatschte in die Hände. Er rief etwas, erhielt auch Antworten, lachte und schüttelte den Kopf.
»Was hat er gemeint?«, fragte ich Karina.
»Er hat sich nur über das Verhalten der Leute gewundert.«
»Dann hat er nichts gesehen.«
»Du hast es erfasst, John. Er war zu sehr mit seiner Arbeit hinter der Theke beschäftigt.«
»Und was ist mit den anderen Gästen?«, fragte ich Karina. Es war mir nicht angenehm, dass sie immer übersetzen musste, aber leider gab es keine andere Möglichkeit.
»Sie wundern sich. Sie haben es gesehen. Sehr schwach nur, so wie wir, aber sie sind nicht in der Lage, es einzuordnen. Das ist eben das große Problem.« Sie schaute mich an. »Und jetzt frage ich dich, warum das alles so gelaufen ist.«
»Ich kann dir keine genaue Antwort geben, sondern nur raten. Wahrscheinlich wollte uns Belial beweisen, welche Macht er besitzt und was er in seinen Händen hält. Das haben wir ja auch gesehen.«
»Und damit können wir unseren Plan abschminken.«
Ich dachte einen Moment nach und schüttelte den Kopf. »Nein, das können wir nicht. Abschminken auf keinen Fall. Wir werden ihn durchziehen, wir müssen es tun. Schon allein des Kindes wegen. Belial
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