1257 - Gezeichnet durch den Höllenfluch
Schilfrand hinweg zur anderen Seite, wo die Birken und Trauerweiden wuchsen, als wären sie für eine Kulisse aufgebaut worden.
Dorthin wollte er gehen. Da würde er auch seinen Platz finden. Eine kleine Mulde zwischen den Bäumen, die ihm einen wunderbaren Blick in die Richtung erlaubte, aus der er gekommen war. So konnte er auch immer seine Kirche sehen, auf die er sehr stolz war. Gerade an diesen Abenden war das Bild so einmalig, denn wenn die Dämmerung von der Dunkelheit abgelöst wurde, dann lösten sich auch die Umrisse der Kirche immer mehr auf, um sie auf eine Reise in eine entfernte Welt zu schicken.
Es war auch der Platz, an dem Francis über viele Probleme nachdenken konnte. Nicht über die, die ihn persönlich etwas angingen und mit seinem Beruf verbunden waren, es ging ihm auch um die Probleme der Welt. Um die Philosophie, die Physik, um das Entstehen, das Werden und das Vergehen.
Irgendwann würde er mal ein Buch über diese Dinge schreiben und sie aus theologischer Sicht betrachten, denn oft waren die Gedanken so intensiv, dass sie einfach rausmussten.
Er lächelte vor sich hin. Jeden Schritt fand er als eine Genugtuung. Das Gras war weich, er hörte den Gesang der Grillen und sah die dunklen Wolken der Mücken über dem Wasser tanzen.
Es wehte kein Wind. Deshalb lag die Oberfläche des Sees auch wie ein dunkler Spiegel vor ihm. An diesem Ufer wuchs Schilf zwischen dem harten Gras. Es gab keine Anlegestelle, aber es waren auch keine Menschen da, die baden wollten. Das war verboten, denn es hatte in der Vergangenheit schon Tote gegeben, denn so harmlos, wie das Gewässer aussah, war es nicht. Zwei Jugendliche waren in der dunklen Brühe ertrunken, und man hatte sie vom verschlammten Grund hochziehen müssen.
Er schlenderte weiter. Manchmal wehte ihm ein seichter Wind entgegen, dann breitete Gallo seine Arme aus, damit er auch durch und unter den Stoff seines Hemdes fahren konnte.
Die Luft blieb von den natürlichen Gerüchen erfüllt, während der Himmel allmählich eindunkelte. Die Wolken waren nicht mehr zu sehen. Sie hatten sich nur tagsüber abgezeichnet. Jetzt wirkte der Himmel wie eine graue Fläche, die weit im Westen noch den letzten roten Schimmer konserviert hatte.
Auch der würde bald verschwinden.
Immer wieder schaute Gallo hinüber zum anderen Ufer, zu dem es nicht mehr weit war, denn er hatte bereits die Schmalseite erreicht und ging über einen weichen und feuchten Erdboden, auf dem das Gras einen Teppich gelegt hatte.
Plötzlich blieb er stehen. Ihm war etwas aufgefallen. Fast an der Stelle, die sein Lieblingsplatz war, war ihm eine Bewegung aufgefallen. Er schüttelte den Kopf und dachte auch, sich geirrt zu haben, aber das stimmte leider nicht. Am anderen Ufer war tatsächlich jemand erschienen, doch es war zu dunkel, um zu erkennen, wer es war.
Es konnten auch zwei Personen sein. Ein Liebespaar aus der Umgebung, das die laue Nacht genießen wollte, aber das war es auch nicht, glaubte er. Und er rechnete damit, dass er von der anderen Person noch nicht entdeckt worden war.
Das sollte auch so bleiben. Der Pfarrer ging jetzt schneller, und er duckte sich dabei. Er besaß keinen Beweis für seine Annahme, aber dieser Gast gefiel ihm nicht. Es gab nicht nur gute Menschen, sondern auch welche, die etwas Böses im Schilde führten. Weltfremd war der junge Pfarrer auf keinen Fall.
Sollte sich dort ein Badegast aufhalten, dann würde er ihn so schnell wie möglich vertreiben.
Als er wenig später den ersten Schutz der Bäume erreichte, merkte er schon den Schweiß, der sich auf sein Gesicht gelegt hatte. Das Laufen hatte ihn schon angestrengt, und bei dieser Schwüle schwitzte man auch noch am Abend.
Er selbst sah die Person nicht mehr, denn hier standen die Birken und Trauerweiden einfach zu dicht beisammen. Doch es gab genügend Platz, um sich dem Ort ungesehen zu nähern.
Das tat Francis Gallo auch. Er achtete besonders darauf, keine unnötigen Geräusche zu verursachen und nahm manch kleinen Umweg in Kauf.
Ein Auto war nicht zu sehen. Die Person musste zu Fuß oder mit dem Rad zum See gekommen sein, um sich hier auszuruhen.
Wenn es das mal wäre!
Gallo konnte einfach daran nicht glauben. Sein Gefühl sagte ihm, dass die Person etwas anderes im Schilde führte.
Plötzlich blieb er stehen, denn er hatte die Stimme gehört. Und jetzt wusste er, dass es sich dabei um eine Frau handelte. Sie hatte mit sich selbst gesprochen, aber er hatte kein Wort von dem Gesagten
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