1257 - Gezeichnet durch den Höllenfluch
in der Wirklichkeit passieren könnte.
Aber hier geschah es. Er hatte sich nicht verhört. Er sah vor sich den Rücken einer Frau, die dem Teufel ihr Kind opfern wollte. Das war der reine Irrsinn!
Er wollte eingreifen. Er musste es tun. Er musste diese Person einfach zur Vernunft bringen. Auf keinen Fall durfte der Teufel und damit die Hölle dieses Kind bekommen.
Reiß dich zusammen! Vertraue auf den Herrn! Mach keinen Fehler! Hole sie weg von ihrem falschen Weg!
Er sammelte sich und wollte nach vom auf das Wasser zugehen, als wieder alles anders wurde.
»Satanus…« Der Schrei der Frau hallte über das Wasser hinweg, als sollte der Teufel vom Grund des einsamen Sees in die Höhe steigen und ihr zeigen, wo es lang ging. »Erhöre mich! Beweise mir, dass du dich in meiner Nähe aufhältst. Dann werde ich das Kind nehmen und es dir geben. Du kannst es dir aus dem Wasser holen und für dich gebrauchen. Nimm diese unschuldige Seele, damit du stark wirst oder noch stärker und mir einen Teil deiner Kraft überlässt.«
Nein, er wird dich nicht erhören! Er ist jemand, der sich den Menschen nicht zeigt. Es gibt ihn, aber er ist trotzdem ein verdammtes Trugbild!
Das alles wollte der junge Pfarrer der Frau gegen den Rücken schreien. Er hatte schon Luft geholt, da passierte etwas anderes.
Der Pfarrer war nicht mehr in der Lage, auch nur einen Schritt nach vorn zu gehen, denn er erlebte die Antwort der Hölle.
Schlagartig wurde die Luft kalt! Es passte nicht zu dieser Jahreszeit. Auch den Pfarrer erwischte es.
Ihm stockte der Atem.
Dabei blieb es nicht, denn auf dem Wasser passierte ebenfalls etwas. Gallo brauchte nicht mal genau hinzuschauen, um die Verfärbung zu erkennen, denn die dunkle Fläche erhielt plötzlich eine andere Farbe. Es konnte sein, dass sie aus der Tiefe des Sees gestiegen war und sich nun auf der Oberfläche ausbreitete.
Sie schimmerte in einem kalten Blau. Und in der Mitte malte sich etwas ab, was man beim zweiten Hinsehen durchaus als eine verzerrte Fratze hätte ansehen können.
Für Francis Gallo gab es nur eine Lösung. Das war die Fratze des Teufels. Er hatte sich gezeigt. Nicht in einer Gestalt, wie ihn die Menschen oft gemalt haben, sondern mitten auf dem Wasser als ein helleres Stigma, das sich auch durch die Wellen nicht vertreiben ließ.
Während Francis noch entsetzt auf der Stelle stand, warf die dunkelhaarige Frau ihren Kopf so heftig zurück, dass die Haare flogen. Sie lachte dabei über den See hinweg, und in diesem Lachen schwang ein mächtiger Triumph mit, wie ihn nur jemand empfinden kann, der dicht vor dem Erreichen seines Ziels steht oder es schon erreicht hat.
Das Lachen verklang als Echo und wurde von der Stimme abgelöst, die den Triumph nicht unterdrücken konnte. »Jaaaa… jaaaaa … ich habe gesehen. Ich weiß, dass du der wahre Herrscher über die Welt bist. Du bist überall vorhanden. Du kennst jeden Flecken auf der Erde. Du bist der Herrscher …«
Wieder folgte ein Lachen und danach eine tiefe Verbeugung vor dem Teufel.
Francis Gallo tat nichts. Er stand auf der Stelle und zitterte. Seine Lippen bewegten sich, doch er schaffte es nicht mal, ein Gebet zu sprechen. Was hier passierte, überstieg sein Begriffsvermögen.
Außerdem wollte er auch nicht begreifen, denn sich mit der Hölle abzugeben, dass war bestimmt nicht sein Ding.
Die Frau richtete sich wieder auf. Ihre Hände und ein Teil der Arme waren nass geworden. Wieder streckte sie diese über ihren Kopf. »Und nun, da du dein Versprechen gehalten und mich nicht im Stich gelassen hast, werde ich auch meines halten. Ich werde dir meinen Sohn übergeben. Jetzt, gleich, in dieser Nacht wird unser Pakt für die Ewigkeit geschlossen!«
Es hatten noch genau diese Worte gefehlt, um bei Francis Gallo eine Reaktion auszulösen. Er konnte sich nicht mehr zurückhalten. Es brach praktisch aus ihm hervor.
»Nein!«, schrie er, »das wirst du nicht tun!«
So, wie diese Frau reagierte, handelten sicherlich auch Menschen, die vom Blitz getroffen wurden. Sie sagte nichts, sie tat nichts. Es war ihr einfach nicht möglich. Sie stand nur im Wasser und schien zu Stein geworden zu sein. Der Ruf hatte sie zurück in die Realität geholt, die sie jedoch nicht schaffte, für sich einzuordnen. Sie bewegte sich nicht, denn was sich bewegte, das war einzig und allein das Wasser, von dessen Oberfläche die blauhelle Fratze des Teufels allmählich verschwand, als wäre sie von starken Händen in die Tiefe gezogen
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