1259 - Spinnenpest
Noch bevor wir das Büro unseres Chefs erreicht hatten, fragte er: »Weißt du eigentlich, wie man sich gegen die Pest wehren kann?«
»Da gibt es wohl Mittel.«
Er blieb stehen. »Aber wie kann sie nach London oder England gelangen?«
Ich zuckte die Achseln. »Wie auch immer, wir können nur hoffen, dass sie auf einen kleinen Raum begrenzt bleibt und sich nicht ausbreitet.«
»Stimmt. Das wäre das eine. Und dann frage ich mich, ob die Pest überhaupt echt ist.«
Ich schaute ihn nur an, bevor ich flüsterte: »Du denkst an unsere Freunde?«
»Genau an die!«
Ich gab ihm keine Antwort. Spürte allerdings im Magen ein verdammt bedrückendes Gefühl…
***
Im Gegensatz zu mir sah Sir James nicht übermüdet aus. In gewisser Hinsicht war er ein Phänomen.
Ich wusste gar nicht, wann er schlief. Er war ein Mann, der mit dem Yard verheiratet war. Ohne ihn konnte ich mir die Organisation gar nicht vorstellen. Wenn er sich mal nicht im Büro aufhielt, dann war der Club zu seiner zweiten Heimat geworden, in dem er auch des Öfteren übernachtete. Wie aus dem Ei gepellt saß er wieder vor uns, schaute uns durch die Gläser der Brille an und schob einige Unterlagen zur Seite.
»Wenn Sie freiwillig kommen, dann riecht es möglicherweise nach Problemen.«
»Das können wir nicht bestreiten.«
»Gut, John, worum geht es?«
Ich hatte beschlossen, Sir James zu schocken und sagte: »Es geht um die Pest!«
Er wurde plötzlich sehr ruhig. Seine Züge froren ein, und hinter den Brillengläsern sahen die Augen starr auf.
»Kann es sein, dass ich mich verhört habe?«
»Nein, Sir. Es geht um die Pest.«
»Da Sie beide zu mir gekommen sind, um mit mir darüber zu reden, gehe ich nicht davon aus, dass Sie die Pest meinen, die man in Indien vor einigen Monaten entdeckt hat.«
»So ist es, Sir. Es geht um die Pest, die in unserem Land aufgetreten ist. Und zwar in Wales. In einem kleinen Ort namens Irfon.«
»Woher wissen Sie das?«
»Bill Conolly hat mir das berichtet. Ich gehe davon aus, dass er kein Spinner ist.«
»Das ist er bestimmt nicht. Aber was haben Sie damit zu tun?«
»Bill Conolly nimmt an, dass es sich nicht um eine normale Pest handelt. Sie ist ausgebrochen, aber man hat es verstanden, diese Tatsache unter der Decke zu halten. Was auch nachzuvollziehen ist. Trotzdem müssen einige Menschen Bescheid wissen.«
Sir James nickte. Dabei schaute er uns beide zugleich an. »Wäre es nicht besser, wenn Sie von Beginn an berichten, John?«
»Das wollte ich sowieso, Sir. Aber viel ist es nicht, das kann ich Ihnen schon jetzt sagen.«
Unser Chef hörte zu, was ich ihm zu sagen hatte. Bill Conolly war kein Spinner und kein Sprücheklopfer. Wenn er etwas herausgefunden hatte, konnte man davon ausgehen, dass dies Hand und Fuß hatte. So sah unser Chef das auch jetzt.
Er war schon ziemlich nachdenklich geworden.
»Drei Menschen also«, flüsterte er.
»Genau.«
Er räusperte sich und suchte nach einer Antwort. »Wie ich mir denken kann, haben Sie schon einen Schritt weitergedacht und gehen davon aus, dass es sich nicht um eine normale Pest handelt. Wie man sie aus dem südlichen Asien her kennt. Und die Pest, die es damals hier in Europa gegeben hat und der Schwarze Tod genannt wurde, kann es dann auch nicht sein.«
»Der Meinung sind wir auch.«
Sir James schaute mich an. Hinter den Gläsern der Brille wirkten seine Augen groß. »Welchen Verdacht haben Sie dann?«
»Unsere Freunde von der anderen Seite könnten dahinter stecken.«
»Eine Dämonenpest?«
»Ja.«
Er pfiff durch die Zähne, was bei ihm selten vorkam. »Das wäre schlimm. Zudem ist es mir im Moment zu allgemein. Aber wenn wir davon ausgehen, dann muss es jemanden geben, der diese Pest gebracht hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie von allein…« Er schüttelte über sich selbst den Kopf. »Der Schwarze Tod?«
»Ist vernichtet«, sagte Suko.
»Ein Ableger?«
»Weiß ich nicht, Sir. Außerdem ist der Schwarze Tod damals nur als Sinnbild genommen worden für diese schrecklichen Seuchen, die über die bekannte Welt kamen. Wir kennen ihn noch als Person und nicht als Sinnbild. John und ich sind der Ansicht, dass etwas anderes als er dahinter steckt.«
Sir James nickte und meinte: »Ich könnten Sie jetzt fragen, was dahinter steckt, aber das schenke ich mir. Sie werden mir keine konkrete Antwort geben können.«
Da waren wir seiner Meinung.
Sir James sprach weiter. »Ich denke, dass es trotzdem vorangehen muss und Sie noch andere
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