126 - Der Vampir vom roten Mond
aufgestellt. Es sah aus, als hätte er zwei große Flügel. Seine Arme waren ausgebreitet, und er fixierte mit rotglühenden Augen den Fledermausschwarm. Es war Galahad. Sein Mund war geöffnet, und obwohl Unga keinen Ton hören konnte, war er sicher, daß Galahad sich mit den Fledermäusen verständigte. Wahrscheinlich mit Ultraschalltönen, jenen Schwingungen, mit deren Hilfe sich Fledermäuse in völlig dunklen Räumen orientieren konnten.
Unga schaute auf Bahadur Bhang nieder, der tot und reglos auf dem Boden lag. Fledermäuse, die Unga erschlagen hatte, lagen neben und auf ihm; andere zuckten noch im Schnee, der von ihrem Blut rot gesprenkelt war.
Die Wolkendecke riß auseinander, und für Augenblicke sah man den schon fast vollen Mond. Schwarz hoben sich die Fledermäuse davor ab.
Galahad trat zu Unga, der sich über Bahadur Bhang beugte. Der Schwarzbärtige sah gräßlich aus, bleich wie eine Wachsfigur. Seine Kleidung war von den kleinen Krallen und spitzen Zähnen zerrissen. Die Vampir-Fledermäuse hatten ihm das Blut bis auf den letzten Tropfen aus dem Körper gesaugt. Bhangs Gesicht war gräßlich verzerrt, sein schwarzer Bart zerzaust. Das Gewehr, das ihm nichts geholfen hatte, hielt er noch umklammert.
Unga richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er starrte Galahad an, den er um ein ganzes Stück überragte. Die Rückenschleppe des Inders mit dem Totenkopfgesicht hing jetzt wieder normal herab.
Unga war angefüllt mit Haß. Am liebsten wäre er Galahad, der bestimmt der Herrscher der VampirFledermäuse war, an die Kehle gegangen. Aber der Cro Magnon beherrschte sich, denn damit hätte er nichts erreicht.
Jetzt erst hörte er Don Chapman und Reena rufen. Als Unga sich umdrehte, sah er den Zwergmann in der Fensterluke stehen, die zwei Meter von ihm entfernt war.
Unga nickte Don zu, zum Zeichen, daß bei ihm alles in Ordnung war. Don Chapman verschwand. „Was hat er dir erzählt?" fragte Galahad in seinem akzentfreien Englisch.
„Daß du ein stinkender Blutsäufer bist", sagte der Cro Magnon grob. „Willst du uns in den Nächten des Blutsmonds opfern und umbringen wie diesen armen Teufel da, Galahad?"
Der unheimliche Inder lachte höhnisch. „Wenn du tust, was du mit Luguri vereinbart hast, geschieht dir und deinen Begleitern nichts, Unga. Wir lassen euch sogar zum Padma gelangen. Wegen des Blutmonds brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Das ist meine Sache."
„Hoffentlich, Galahad. Denn wenn du ein falsches Spiel mit mir treibst, dann wirst du einen Holzpflock in dein dämonisches Herz bekommen."
Unga drehte sich um und ging ins Haus, ohne Galahad weiter zu beachten.
Unga erwachte erst gegen Mittag. Er wusch sich mit kaltem Wasser, putzte die Zähne, kämmte sich und rasierte sich mit dem Dolch, nachdem er sein Gesicht eingeseift hatte. Dann zog er sich an.
Don Chapman saß auf dem obersten Bett und ließ die kleinen Beine herabbaumeln. Reena befand sich nicht im Zimmer.
„Was ist los?" fragte Unga. „Wollen wir heute nicht auf brechen?"
„Es hat nicht den Anschein", antwortete Don. „Galahad hat sich im Morgengrauen zu Bett gelegt, wie ich hörte, und beabsichtigt anscheinend, den ganzen Tag zu schlafen. Bei der Pagode geht etwas vor, und die Einwohner von Blobzang wagen sich kaum aus ihren Häusern. Im Gasthof aber herrscht Unruhe. Ich habe mich umgesehen. Eine Spannung herrscht hier, die mir nicht gefallen will."
In der Nacht hatte Unga mit Don Chapman und Reena nur ein paar Worte über Bahadur Bhangs Tod und Galahad gewechselt. Jetzt waren sie allein und die Gelegenheit günstig, sich zu unterhalten. Unga trat zu Don Chapman, so daß sich sein Gesicht vor dem Zwergmann befand.
„Du willst Luguri und seiner Brut doch nicht wirklich den Weg zum Versteck und zum letzten Stützpunkt des Padma zeigen?" fragte Don.
„Ich weiß noch nicht", antwortete der Cro Magnon. „Kommt darauf an. Nicht, wenn es sich vermeiden läßt. Viel könnte es eigentlich nicht mehr schaden, denn die Janusköpfe und die Chakras haben den Stützpunkt ohnehin eingeschlossen."
„Du glaubst aber doch nicht, daß Luguri die Padmas tatsächlich unterstützt?" fragte Don Chapman. „Er wird höchstens versuchen, den Padma und die Seinen auf eigene Faust zu vernichten, um dem Chakravartin und den Janusköpfen zu zeigen, daß er ihnen überlegen ist."
Don Chapman hatte nicht unrecht. Luguri und der Chakravartin, die Dämonen und die Janusköpfe, waren einander ebenbürtig, aber sie hatten bisher
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