1260 - Das letzte Chronofossil
skeptisch.
Aber vielleicht stimmte das gar nicht. Vielleicht hing die Tatsache, daß Shrou den Sog jetzt als stärker empfand, damit zusammen, daß das Kind allmählich müde wurde. Es war noch ein winziger Fötus. Wieviel Kraft konnte, ein solches Wesen aufbringen, wie lange mentalen Schutz gewähren?
Was würde mit Gesil selbst geschehen, wenn das Kind zu erschöpft war, um sie abzuschirmen? Mußte sie dann nicht - wie die gesamte Besatzung der BASIS -s handlungsunfähig werden?
Es war ein weiterer Grund, sich zu beeilen. Sie sagte sich, daß es nur fair gewesen wäre, Shrou über diese Dinge aufzuklären. Er mußte wissen, woran er war. Aber sie brachte es noch immer nicht fertig, mit ihm darüber zu reden. „Ich glaube nicht, daß der Sog an. sich stärker geworden ist", sagte sie statt dessen. „Ich nehme eher an, daß er konstant ist. Wenn du ihn jetzt stärker spürst, dann wahrscheinlich deshalb, weil du ihm schon zu lange ausgesetzt bist und dich gegen ihn wehrst. Wir sollten wirklich zusehen, daß wir nicht zu viel Zeit verlieren. Es kann nur schlimmer werden."
Er zuckte die Schultern. „Wir können nicht mehr tun, als uns zu beeilen", stellte er fest. „Wenn wir nur höher fliegen könnten!"
Aber sie konnten es nicht Sie hatten es schon mehrmals versucht - sobald sie eine gewisse Höhe erreichten, mußten sie umkehren. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich ihren Weg zwischen den Bergen hindurchzusuchen. Immerhin mußte auch dieses Gebirge irgendwo ein Ende haben. Gesil hoffte es zumindest.
Sie überflogen einen Paß. Die Stadt, von der Shrou gesprochen hatte, lag unter ihnen.
Sie füllte einen großen Talkessel aus, und sie war unbestreitbar eine der schönsten Städte, die Gesil je gesehen hatte. Aber im Augenblick hatte sie nicht den rechten Blick für diese Schönheit.
„Wie sieht so ein Depot eigentlich aus?" fragte sie.
„Die Depots haben leider kein einheitliches Aussehen", erklärte Shrou deprimiert. „Sie passen sich den jeweiligen Gegebenheiten an. Jedes dieser Gebäude kann theoretisch Vorräte enthalten."
„Wie unpraktisch", meinte Gesil. „Wäre es nicht besser gewesen, diese Gebäude zu kennzeichnen?"
„Sie werden nur noch selten gebraucht", wehrte Shrou ab. „Früher lebten viele Konzepte über Jahre hinweg auf der Oberfläche von Eden II. Diese Stadt war eines ihrer Meditationszentren, in denen sie sich zusammenschlössen. Ich war nur einmal hier, und das ist lange her. In der letzten Zeit blieben die meisten Konzepte bei ES. Nur ein paar Patrouillen kontrollierten die Oberfläche 'des Planeten."
„Und was war mit dir?"
„Ich war die meiste Zeit hier draußen. Aber in diese Gegend bin ich nie gekommen, weil... aber das tut nichts zur Sache. Jedenfalls wissen die Patrouillen, wo sie sich notfalls versorgen können, wenn sie es überhaupt nötig haben. Sie konnten außerdem die entsprechenden Informationen jederzeit über ES bekommen. Vielleicht haben wir Glück. Meistens liegen die Depots am Städtrand."
Sie hatten die ersten Gebäude erreicht. Sie waren offensichtlich seit langer Zeit unbewohnt. Der Straßenbelag war an vielen Stellen geborsten. Wilde Blumen wuchsen aus den Ritzen hervor. Aber die Stadt war dennoch schön - das prachtvolle, steinerne Gerippe einer einstmals blühenden Siedlung. Gesil fragte sich, wie die Konzepte es fertiggebracht hatten, diesen herrlichen Ort zu verlassen. Gewiß, sie hatten ein großes Ziel vor Augen gehabt - die Vereinigung mit ES - aber es war ihnen sicher trotzdem nicht leichtgefallen.
Glücklicherweise gab es in dieser Stadt keine verschlossenen Türen. Jedes Gebäude war frei zugänglich -und leer. Nur der Staub und hereingewehtes welkes Laub lag in den Ekken der Räume.
Ansonsten gab es nichts - keinerlei Einrichtungsgegenstände, und auch keine Vorräte.
Gesil und Shrou hatten sich getrennt und durchsuchten ein Gebäude nach dem anderen, ohne jeden Erfolg. Einmal tauchten ein paar Konzepte auf, aber sie zogen stumpf sinnig vorbei, ohne auch nur aufzublikken. Als Gesil versuchte, sie anzusprechen, reagierten sie nicht. Sie taten, als wäre Gesil Luft für sie.
Das war gewiß keine böse Absicht, aber es wirkte deprimierend. Gesil blieb unwillkürlich stehen und sah diesen traurigen Gestalten nach. Als sie sich umdrehte, entdeckte sie einen Nachzügler, einen kleinen, schmächtigen Mann asiatischer Abstammung, der auf sie zukam.
Sie trat zur Seite, um ihm Platz zu machen, und sie war überrascht, als er
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