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1261 - Devolution

Titel: 1261 - Devolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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aufbegehren, werden sie gewaltsam zum Kuschen gebracht."
    Dies war einer der Gründe, warum Tifflor die Warnung nicht ernst genug nahm. Aber selbst wenn er sofort Alarm geschlagen hätte, an dem sich anbahnenden Unheil hätte er doch nichts ändern können.
    Das Unheil begann mit der ersten Hyperschockwelle und wurde durch jede der folgenden fortgesetzt. Und es gab keinen Ort in der Mächtigkeitsballung von ES, der vor den dadurch ausgelösten Phänomenen sicher gewesen wäre.
     
    *
     
    Lester Margue hatte ein recht eigenwilliges Hobby, dem er in letzter Zeit kaum mehr frönte. Um genau zu sein, er hatte seit fast einem Jahr die Finger davon gelassen. Dies auf Anraten seines Psychiaters, den er vor einem Jahr konsultiert hatte, weil er sich Sorgen um sich selbst zu machen begann.
    Er verwandte immer mehr Zeit für sein Hobby, kapselte sich immer mehr von der Umwelt ab und verlor den Bezug zur Realität. Zuletzt ließ er seiner seltsamen Neigung hemmungslos freien Lauf, konnte tagelang ohne Schlaf und praktisch ohne Nahrung auskommen und sich in dieser Zeit in Selbstbetrachtung vertiefen.
    Nicht daß er sich verinnerlichte und geistige Selbsterkenntnis suchte, onein, Lester beschränkte sich fasziniert auf die Betrachtung seiner Erscheinung. Er konnte sich an sich selbst nicht sattsehen und ersann immer neue Methoden, um sich aus den verschiedensten Perspektiven beobachten zu können. Das füllte ihn völlig aus.
    Erst als ihn der permanente Zustand der Selbstergötzung zu ängstigen begann, suchte er den Psychiater auf. Dieser diagnostizierte, daß Lester an einem Narzißkomplex litt, und verpaßte ihm eine Therapie.
    Seit einem halben Jahr war Lester geheilt, aber heute hatte es ihn wieder gepackt. Er hatte vorher Angstzustände gehabt, die jedoch in Lampenfieber abgeklungen waren und sich zuletzt in Vorfreude wandelten.
    Zuerst zögernd, dann immer rascher hatte er das raffinierte System der miteinander gekoppelten Holo-Kameras aufgebaut. Nachdem alles stand, war es fast eine rituelle Handlung, den Auslöser zu drücken. Die Spannung fiel mit einem Mal von Lester ab, er war nun ganz locker.
    Er nahm einen Drink vom Getränkespender und genoß ihn auf seine Weise: Er setzte sich im Schneidersitz in die Mitte des Wohnzimmers und schlürfte genüßlich. Gelegentlich wandte er den Kopf zur Holo-Kamera und zwinkerte dem Laserauge zu. Danach suchte er die Hygienekabine auf und machte ausgiebig Toilette. Danach kam der Weg zum Kleiderschrank, das Anprobieren der Garderobe und, nachdem er die Umkleidungsprozedur bis zur Erschöpfung variiert hatte, der Gang in die Küche.
    Er beobachtete sich zu gerne beim Zubereiten der Speisen, er war ein schlechter Koch, aber ein guter Darsteller eines solchen. „Kochen" war ein wichtiger Bestandteil des.
    Egodramas, wie der Psychiater Lesters Darstellungskunst nannte. Und die Darstellung war mindestens so wichtig wie die nachfolgende Vorführung.
    In Lesters Selbstdarstellung gab es keine Entgleisungen, er vollzog keine abartigen Handlungen. Er zeichnete nur den möglichen Tagesablauf eines einsamen Menschen auf und schuf sich mit dem dabei zustandegekommenen Holorama einen Gesellschafter.
    Abartig dabei war nur, daß er sich nicht um einen anderen Partner bemühte, sondern die holographische Projektion von sich der Gegenwart eines anderen vorzog. Das war der Narzißkomplex. Lester liebte sich selbst am meisten. Er kam nur mit sich selbst zurecht.
    Obwohl er sich besondere Mühe gab, wollte es an diesem Tag aber nicht so recht klappen. Er war verkrampft, die Angst vor Bestrafung für sein Tun saß ihm im Nacken.
    Denn er merkte, daß es diesmal ganz anders war als früher. Zweimal erfaßte ihn eine Art Schwindel, als plötzlich seine Umgebung zu entschwinden und in sich zusammenzufallen schien. Sein Blickfeld verengte sich schlagartig, alles um ihn verkleinerte sich zu mikroskopischer Größe, verkleinerte sich bis ins Unsichtbare, zu einem schwarzen Fleck. Und dann lief der Prozeß augenblicklich wieder umgekehrt ab, bis sich die Verhältnisse wieder normalisiert hatten. Das alles ging so rasch, daß Lester im Augenblick des Geschehens nicht einmal einen Gedanken fassen konnte. Das Erkennen und die Angst stellten sich erst danach ein.
    Er fürchtete plötzlich, daß ihn sein Psychiater einer Konditionierungstherapie unterzogen hatte. Lester hatte einiges über „operante Konditionierung" gelesen. Dabei ging es darum, den Patienten für „schlechtes" Verhalten zu bestrafen, um

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