1261 - Devolution
unerwünschte Gewohnheiten - eben die narzißhafte Selbstdarstellung - auszukonditionieren.
Obwohl sein Psychiater treuherzig versichert hatte, daß solche altmodischen Drillmethoden längst nicht mehr zur Anwendung kamen, glaubte Lester, daß die Verengung seines Blickwinkels - die Illusion, daß sich seine Umgebung, in der er die böse Tat beging, in Schwärze auflöste - als Bestrafung gedacht sei.
Und das machte ihm Angst.
Er brach das Egodrama vorzeitig ab und ging zur zweiten Phase über. Bei der Projektion erlebte er einen Schock besonderer Art.
Während er sein Holorama beobachtete und in Stimmung zu kommen versuchte, sah er sich plötzlich verschwinden. Es geschah zweimal, daß sich seine Holo-Projektion auflöste.
Und das seltsame war, daß die Störungen des Holos genau mit jenen Augenblicken übereinstimmten, zu denen während der Aufnahme eine Verengung seines Blickwinkels stattgefunden hatte.
Das eine Mal, während des Umkleidens, zeigte die Holographie seine Projektion für volle zwei Minuten nicht. Beim zweitenmal, das war in der Küche, setzte die Projektion für dreieinhalb Minuten aus.
Lester fand keine Erklärung für dieses Phänomen. Eine Überprüfung der Anlage schloß technisches Versagen aus. Aber auch die befürchtete Konditionierungstherapie war keine Erklärung für sein scheinbares Verschwinden für insgesamt fünfeinhalb Minuten.
Später stellte sich heraus, daß insgesamt an die fünfzig Personen dieses Wohnblocks gleichzeitig mit ihm von diesem Phänomen betroffen waren. Jeder von ihnen wußte von einer Verengung des Blickwinkels zu berichten, während andere über die Betroffenen aussagten, daß diese für eine gewisse Zeitspanne verschwunden waren.
Für dieses Phänomen bürgerte sich der Ausdruck „Zeitflecken" ein. Wer in den Bann solcher Zeitflecken geriet, der übersprang einen gewissen Zeitraum.
Dies war eines der Phänomene, das durch die Fehlaktivierung des Chronofossils EDEN II bei TRIICLE-9 ausgelöst wurde.
*
Charles Perlin und Christa Csarlon machten in einem kleinen Raumboot Urlaub im Asteroidengürtel. Sie waren kleine Hanse-Angestellte der Niederlassung Mars und hatten den Anschluß an die Vironauten verpaßt. Aber sie trauerten der versäumten Gelegenheit nicht nach, denn sie stillten das Fernweh nach den Weiten des Alls auf ihre Weise. Der Asteroidengürtel bot ihnen die Ruhe und Beschaulichkeit, die sie suchten, und trotzdem blieben sie der Zivilisation nahe und konnten jederzeit auf deren Annehmlichkeiten zurückgreifen.
Es hatte aber seinen besonderen Grund, daß sie sich ausgerechnet den Asteroidengürtel für ihre kosmischen Streifzüge ausgesucht hatten. Sie hatten nämlich beide den Spleen, die letzten Geheimnisse des ehemaligen 5. Planeten Zeut zu ergründen. Diese Gemeinsamkeit war auch die Basis für ihre Freundschaft, mehr gab es nicht zwischen ihnen.
Eigentlich gab es kaum mehr Geheimnisse um den 5. Planeten, der während des großen Krieges zwischen Halutern und Lemurern vor 50.000 Jahren zerstört worden war.
Die Cappins hatten schon vor 200.000 Jahren einen Stützpunkt auf Zeut unterhalten und dem 5. Planeten zwischen Mars und Jupiter den Namen Taimon gegeben.
Es war auch bekannt, daß es vor seiner Zerstörung auf Zeut große Vorkommen an PEW-Metall gegeben haben mußte. Und dieser Umstand war ausschlaggebend für die Forschungsreise von Charly und Csarly, wie sie sich gegenseitig nannten. Es war für sie geradezu zur Manie geworden, in den Planetentrümmern nach Resten von PEW-Metall zu suchen. Sie glaubten fest an PEW-Vorkommen.
Das war natürlich eine physikalische Unmöglichkeit. Denn neben der Reihe verblüffender Eigenschaften dieses Parabio-Emotionellen-Wandelstoffes reagiert es auch sehr sensibel auf atomare Energien. Wird das PEW-Metall solchen in entsprechendem Maß ausgesetzt, so beginnt es, sich zu zersetzen und quasi in den Hyperraum zu verdunsten. Und genau das muß mit den PEW-Metallvorkommen von Zeut bei dessen nuklearer Explosion passiert sein.
Charly und Csarly redeten sich jedoch ein, daß durch irgendwelche Umstände etwas von dem PEW-Metall die Katastrophe überdauert haben müßte. Diesbezüglich waren sie starrköpfiger als jene Paramags, die, in Unkenntnis der Sachlage, im Jahre 3440 aufgebrochen waren, um Zeut zu erobern ...
Christa Csarlon war ausgestiegen, um einen kleineren Asteroiden zu untersuchen. Es war ein schroffer, unregelmäßiger Brocken mit einer Länge von annähernd hundert Metern.
Weitere Kostenlose Bücher