127 - Rosemaries Alpträume
ich auch dich töten. Und das täte mir leid."
Dorian winkte ab und wandte sich dem Mißgestalteten zu, der ihm die beiden Gesichter seiner Handflächen zeigte, die augenlos waren. Er konnte damit nur sprechen, dafür sah er mit dem Gesicht auf seinem Hinterkopf. „Wer hat dich geschickt?" „Sein Name ist Lillom."
„Und was will Lillom?"
„Ich werde euch zu ihm führen."
Heino Spazzek wußte sofort, daß mit den Brötchen etwas nicht stimmte. Er rührte kein einziges von ihnen an, obwohl sein Magen vor Hunger knurrte. In einem unbeobachteten Augenblick ließ er die Brötchen, die für ihn gedacht waren, eines nach dem anderen verschwinden.
Margot sagte entschuldigend: „Tut mir leid, daß ich dir nichts Warmes anbieten kann. Als ich in den Nachrichten von dem Zwischenfall in der Tierhandlung hörte, da war ich vor Angst wie von Sinnen. Warum hast du nicht angerufen, Heino?"
„Ich wollte dich nicht beunruhigen", antwortete der Psychologe. „Ich konnte doch nicht ahnen, daß die Massenmedien über den Vorfall so schnell berichten würden."
Margot gähnte herzhaft. Heino ebenfalls.
Rose kam aus dem Kinderzimmer und fragte: „Seid ihr müde?"
„Und wie!" log Heino und streckte sich auf der Couch aus. „Übrigens, was ich dich fragen wollte, Margot: Wozu hast du gestern bei der Spedition einen Wagen bestellt?"
Margot machte eine müde Handbewegung-„Rose wollte auf einmal ihre Spielsachen nicht mehr. Also beschlossen wir, sie zur Mülldeponie schaffen zu lassen."
„Zu einer bestimmten Mülldeponie?" fragte Heino.
„Stellst du manchmal Fragen!
Wird nicht aller Müll aus unserem Bezirk zur Deponie bei Burg Lichtenstein gebracht?"
Rose kam wieder aus ihrem Zimmer.
„Ich hoffe, daß du recht hast, Mama."
„Aber sicher, Liebes." Margot gähnte wieder. Heino ebenfalls. „Außerdem ist das doch nicht wichtig."
„Da hast du auch wieder recht."
Rose verschwand in ihrem Zimmer.
Heino blickte aus dem Wohnzimmer. Burg Lichtenstein lag praktisch vor ihrer Tür. Als Kinder hatten sie dort oft gespielt, und damals hatte Heino einen alten Geheimgang entdeckt. Jetzt war die Burg renoviert, und man konnte sie nur während der offiziellen Führungen besichtigen. Aber den Geheimgang gab es noch immer. Heino erinnerte sich, daß er Rose bei einem Spaziergang darauf aufmerksam gemacht hatte.
Margot war eingeschlafen. Er rüttelte sie leicht an der Schulter, doch sie rührte sich nicht. Plötzlich vernahm er aus dem Kinderzimmer schleichende Schritte. Er stellte sich ebenfalls schlafend.
Durch die Augenschlitze sah er Rose, wie sie sich ins Wohnzimmer schlich. Als sie die beiden reglosen Gestalten erblickte, grinste sie, holte sich ihren Mantel und die Mütze, schlüpfte in die Stiefel und nahm den Wohnungsschlüssel vom Haken. Dann huschte sie zur Tür hinaus.
Heino fuhr von seinem Platz hoch. Er überlegte, ob er Rose sofort nachschleichen sollte, fand aber, daß dies nicht besonders klug gewesen wäre. Sie war mißtrauisch genug, um sich nach Verfolgern umzusehen; und wer wußte, wie sie reagierte, wenn sie ihn entdeckte. Immerhin war sie skrupellos genug gewesen, die belegten Brötchen mit einem Schlafmittel zu präparieren. Was für ein Teufel ritt das arme Mädchen?
Heino wartete zehn Minuten, dann verließ er ebenfalls die Wohnung, nahm jedoch den Zweitschlüssel an sich. Er stieg in seinen Wagen und fuhr zu der Mülldeponie bei der Burg.
Er wäre ein schlechter Psychologe gewesen, wenn er nicht erraten hätte, wohin sich Rose zu so später Stunde begab. Es paßte einfach nicht zusammen, daß sie zuerst solches Geschrei um ihre alten Spielsachen machte, nur um sie dann wegzuwerfen. Heino war sicher, daß sie nach wie vor an ihnen hing und sie nur an einem anderen Ort haben wollte warum auch immer.
Der Psychologe stellte den Wagen an einem geschützten Platz ab und begab sich dann zur Mülldeponie, Der Schnee knirschte unter seinen Schritten. Der Himmel war klar, die Luft kalt.
In wenigen Tagen war Weihnachten. Was für Weihnachten für Margot! Und Rose? Heino Spazzek tappte noch völlig im Dunkeln.
Er erreichte die Absperrung und versteckte sich dann hinter einem Gebüsch. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, und er hatte sich bereits kalte Füße geholt, als endlich Rose in ihrem Pelzmäntelchen auftauchte. Aber es war ihm eine Genugtuung, daß er richtig kombiniert hatte.
Rose kletterte über das Absperrseil und rutschte die Schutthalde hinunter. Bald darauf tauchte
sie
auf. Sie mühte sich
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