127 - Rosemaries Alpträume
mit dem Schaukelpferd und einem Kaufmannsladen ab. Das Schaukelpferd, das einem Menschen fast das Leben gekostet hätte.
Rose hatte an Margots Brust geweint, als sie von dem Unfall der Nachbarin gehört hatte. Krokodilstränen?
Heino Spazzek ballte die Hände zu Fäusten. Er war Psychologe und hätte das Problem also von der wissenschaftlichen Seite betrachten müssen. Aber er wäre lieber Teufelsaustreiber gewesen.
Rose verschwand in Richtung Burg. Nach zehn Minuten kam sie mit leeren Händen zurück, rutschte wieder die Halde hinunter und kam mit einem Jutesack, den sie hinter sich nachzog, wieder herauf. Der Sack war prall gefüllt. Das wiederholte sich einige Male.
Als Rose wieder einmal in der Mülldeponie verschwunden war, verließ Heino Spazzek sein Versteck und begab sich zu der Burg.
Er hatte die schützenden Felsen in der Nähe einer Felsspalte gerade erreicht, als er im Mondlicht Rose auftauchen sah. Sie mühte sich mit dem bis zum Rand gefüllten Jutesack ab.
Der Psychologe zwängte sich durch den Felsspalt. Das war nicht ganz leicht, denn seit er das letzte Mal als Junge auf diesem Weg in die Burg eingedrungen war, hatte er um die Mitte beachtlich viel Speck angesetzt. Beinahe wäre er über das Schaukelpferd gestolpert, das mit den anderen Spielsachen in einer Ecke der geräumigen Höhle lag.
Spazzek machte einen großen Bogen, um auf die Sachen nicht draufzutreten, und ertastete sich seinen Weg durch den steil aufwärts führenden Kamin. Rose tat ihm fast leid, als er daran dachte, daß sie denselben beschwerlichen Weg wie er gehen mußte und dazu noch eine beachtliche Last zu tragen hatte.
Der Psychologe war einigermaßen außer Atem, als er endlich aus dem Höhlengang klettern konnte. Nun befand er sich im Brunnenschacht, dessen Grund gut zwanzig Meter unter ihm lag. Keine drei Meter über ihm, zum Greifen nahe, zeichnete sich ein rundes Guckloch ab, durch das man den Himmel sah.
Er suchte mit den Händen die Eisensprossen der Leiter, kletterte schnell hinauf und kam im oberen Burghof heraus. Er versteckte sich in einem Torbogen.
Das Verlangen nach einer Zigarette wurde übermächtig, aber gerade als er sich eine anzünden wollte, erschien Roses Kopf über dem Brunnenrand. Mit einer spielerischen Bewegung kippte sie den geschulterten Sack nach vorn und kam dann nach.
Suchend blickte sie sich um, dann nahm sie ihre Last wieder auf und wandte sich einem kleinen Tor zu, das Heinos Versteck gegenüberlag. Das Tor war verschlossen. Aber das schien sie nicht zu verwundern. Ohne entmutigt zu sein, holte sie eine Brechstange aus dem Sack und sternrote damit das Tor auf.
Spazzek hielt vor Überraschung den Atem an. Er traute sich selbst nicht zu, ein solches Tor auf stemmen zu können. Rose dagegen schien es keine besondere Anstrengung gekostet zu haben.
Er hörte ihre Schritte verhallen, folgte ihr aber nicht. Erst als sie wieder herausgekommen war und im Brunnenschacht verschwand, verließ er sein Versteck, eilte über den Hof und schlüpfte durch die halboffene Tür, ohne sie zu berühren. Er kam in einen Gang. Links und rechts waren Torbögen. Er blickte hinein. Die Räume waren völlig leer. Aus der verstrichenen Zeit, die sich Rose in der Burg aufgehalten hatte, schloß er, daß sie ihre Spielsachen in einem der unteren Räume versteckt haben mußte.
Und er hatte recht. Am Ende des Ganges, links von einer Wendeltreppe, die einen Turm hochführte, war ein versperrbarer Raum, in dessen Tür sogar ein Schlüssel steckte.
Der Psychologe versteckte sich hinter der Säule der Wendeltreppe. Es war ein ungemütlicher Platz, aber von hier aus konnte er in den Raum sehen.
Rose tauchte wieder auf. Sie summte vergnügt vor sich hin, betrat den Raum, entleerte den Sack in einer Ecke und starrte dann auf die Spielsachen.
„Dorian", rief sie verhalten. „Dorian hörst du mich Es trat eine kurze Pause ein.
„Hole mich bald ab, sonst drehe ich noch durch!" sagte sie nach einer Weile. „Halt endlich Wort, sonst kann ich für nichts garantieren! Morgen? In Ordnung. Wenn du mich dann nicht holst, ziehe ich diesem Spazzek das Fell wie einem Karnickel ab. Und das meine ich wörtlich."
Der Psychologe war in seinem Versteck vor Schreck starr. Er glaubte Rose aufs Wort. Sie stieß keine leeren Drohungen aus.
Er wartete noch, bis Rose die Burg wieder verlassen hatte, dann eilte er ins Freie und versteckte sich. Kaum war sie aus dem Brunnenschacht aufgetaucht und im Gebäude verschwunden, verließ er die
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