127 - Rosemaries Alpträume
dann unzählige blitzartig über die gesamte Glasplatte. Die Flasche zerbrach langsam, als würde sie in eine dicke Flüssigkeit eintauchen. Splitter flogen wie Geschosse vom Zentrum weg - immer noch im Zeitlupentempo. Hunderte von Splittern jeder Größe, ausgezackt und scharfkantig. Und irgendwo außerhalb der Tischrunde schienen sie sich in Luft aufzulösen.
Ein Schrei erklang. Frau Grundeis taumelte von ihrem Sitz hoch. Ihr Hals wies eine blutige Wunde auf. Herr Schneider versuchte, sein Gesicht mit den Armen zu schützen, nachdem ihn ein Splitter an der Stirn getroffen hatte. Frau Schwarzer wandte sich schreiend vom Tisch ab. Plötzlich färbte sich ihr gebleichtes Haar am Hinterkopf rot.
Und Rose stand mit glühenden Augen abseits.
„Glas ist die Waffe!" schrie sie.
Während hinter ihr die letzten Glassplitter im Nichts verschwanden, hob sie einen Sessel hoch und schleuderte ihn gegen das Fenster. Wieder klirrte Glas, regnete es Scherben und Splitter. Doch diesmal wurde niemand von den Splittern getroffen. sie verschwanden wie durch Zauberei im Nichts.
Bernd Schneider, der selbst verwundet worden war, kümmerte sich um Frau Grundeis, der nun auch aus dem Mund ein Blutschwall sprudelte.
Heino Spazzek zögerte. Er wußte nicht recht, ob er Hilfe leisten oder Rose bändigen sollte. Während er sich unentschlossen an Margot wandte, stürmte Rose bereits in den Vorraum und zertrümmerte einen Spiegel. Dann klirrte Glas in der Küche.
Heino Spazzek eilte hinter Rose her. Als er in die Küche kam, war Rose bereits durch die zweite Tür verschwunden.
Der Psychologe kam ins Wohnzimmer zurück.
„Wir müssen die Rettung verständigen", murmelte Herr Schneider verstört und begab sich ans Telefon.
„Und die Polizei!" rief seine Frau ihm nach.
Margot schluchzte haltlos. Helga Spazzek versuchte, sie zu beruhigen.
Heino Spazzek durchsuchte alle Räume, aber Rose war nirgends zu finden.
„Ich habe sie durch die Tür verschwinden sehen", erklärte Frau Schwarzer.
„Gottlob ist sie weg!" rief Frau Schneider inbrünstig. „Dieses Kind gehört…"
„Wo ist Rose?" rief Margot verzweifelt, die jetzt erst zu erfassen schien, daß ihre Tochter verschwunden war.
„Mach dir keine Sorgen, Margot!" beruhigte Heino Spazzek sie. „Ich werde sie schon finden."
Der Psychologe glaubte, zu wissen, wohin sie sich geflüchtet hatte. Er schlüpfte in seinen Mantel, setzte die Pelzmütze auf und stürmte aus der Wohnung.
Diesmal war Rose zu weit gegangen. Es wäre ein Verbrechen, ihre Besessenheit noch länger zu pardonieren. Ja, sie mußte von einem bösen Dämon besessen sein. Davon war Heino Spazzek überzeugt.
Dorian war für eine ganze Weile völlig taub. Er glaubte, das Trommelfell wäre ihm geplatzt. Die unheimliche Stille war viel schmerzhafter als der Knall vorhin.
Coco war mit Rose in Deckung gegangen. Aber der Psycho Lillom hatte sich auf sie gestürzt und Rose von ihr weggezerrt. Jetzt hielt er sie als lebendes Schild vor sich. Sein Gesicht war wutverzerrt. Sein Gebiß machte mahlende Bewegungen. Er schien Dorian irgend etwas zuzurufen, aber der Dämonenkiller konnte nichts hören. Doch was er sah, war schrecklich genug; und er konnte sich gut vorstellen, warum der Psycho so zornig war. Dabei kam der Zwischenfall für ihn ebenso überraschend wie für alle anderen.
Dorian sah, wie rund um ihn mitten in der Luft riesige Glassplitter materialisierten, die wie Geschosse in die Reihen der Janus-Kretins fuhren, sich in ihre Körper bohrten oder sie einfach zweiteilten. Die gläsernen Geschosse erschienen rund um Dorians hochgehaltenen Ys-Spiegel und strebten vom Zentrum mit dem Steinpodest nach allen Richtungen fort. Sie richteten unter den Janus-Kretins ein fürchterliches Blutbad an.
Rose vor sich haltend, rief Lillom irgend etwas in Richtung der in Panik flüchtenden Mißgestalteten. Einige wandten sich daraufhin um, kamen zum Altarthron und scharten sich um den Psycho.
Olivaro redete auf Dorian ein. Der Dämonenkiller konnte noch immer kein Wort hören.
„Ich hab damit nichts zu tun", beteuerte er, doch wußte er nicht, ob er auch gehört wurde.
Plötzlich vernahm Dorian wieder einen Knall, und auf einmal rauschte es in seinen Ohren und eine Vielfalt von Geräuschen drang auf ihn ein. Er konnte wieder hören.
„Du Bastard!" schrie Lillom mit sich überschlagender Stimme. „Das wirst du mir büßen, Dorian!' Coco taumelte heran. Olivaro erschlug einen Janus-Kretin, der sich auf sie stürzen
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