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1274 - Der Wolf und das Mädchen

1274 - Der Wolf und das Mädchen

Titel: 1274 - Der Wolf und das Mädchen
Autoren: Jason Dark
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aber ein Besonderes, worauf allein schon sein helles Fell hinweist.«
    »Das kann ich so nicht nachvollziehen«, flüsterte sie. »Das ist mir alles zu hoch.«
    »Glauben Sie mir denn?«
    Sie runzelte die Stirn und forschte wieder in meinem Gesicht. »Ich weiß es nicht, Mr. Sinclair. Anscheinend wissen Sie mehr. Sie machen mir einen so sicheren. Eindruck. Ich habe auch versucht, Wendy zu erreichen, aber sie hat sich nicht gemeldet. Jetzt, wo Sie hier sind, sollten wir es vielleicht noch einmal versuchen.«
    »Das wäre nicht schlecht. Ich hatte sowieso vor, mich mit Ihrer Tochter in Verbindung zu setzen…«
    Das Telefon klingelte. Gloria Crane zuckte erschauernd zusammen.
    »Wer kann das sein?«
    »Heben Sie ab, dann wissen Sie es.«
    »Bitte, ich… ich habe irgendwie Angst.«
    »Das brauchen Sie nicht, denn ich bin bei Ihnen.«
    Meine letzte Antwort hatte sie wohl überzeugt, denn sie stand mit einer langsamen Bewegung auf, aber ihre Beine waren dabei noch sehr zitterig. Als sie an mir vorbeiging, wäre sie beinahe gestolpert. Im letzten Moment fing ich sie ab.
    Beim fünften Klingeln nahm sie den Hörer ab. Sie flüsterte ihren Namen und hielt eine Hand als Stütze gegen die Wand gedrückt. Ich ließ die Frau nicht aus den Augen, weil ich das unbestimmte Gefühl in mir spürte, dass noch etwas passieren würde.
    Und ich hatte mich nicht getäuscht, denn ich bekam mit, wie Gloria Crane erbleichte. Zugleich hörte ich ihren leisen Schrei. Er alarmierte mich so stark, dass ich aus dem Sessel aufsprang. Ich rechnete mit einer Wiederholung der Reaktion, die allerdings nicht eintrat. Dafür hielt die Frau mühsam den Hörer fest, und zu mir hin gewandt flüsterte sie die Erklärung.
    »Es ist Caroline. Mein Gott, es ist Caroline…«
    ***
    Ich hatte Gloria etwas fragen wollen, doch nun blieben mir die Worte im Hals stecken. Es war eine Erklärung gewesen, die ich akzeptieren musste, doch ich konnte sie nicht begreifen.
    »Caroline?«, flüsterte ich.
    »Ja.« Sie nickte mehr, als dass sie sprach.
    »Fragen Sie Caroline, wo man sie finden kann?«
    Gloria hob die Schultern.
    Die Frau war durcheinander. Das konnte ich gut verstehen. Sie hatte in der Nacht etwas Ungeheuerliches und nicht Erklärbares erlebt. Sie hatte es als eine Tatsache hinnehmen müssen, und jetzt war wieder alles so anders geworden. Es lief plötzlich in normalen Bahnen weiter, als wäre nichts geschehen. Diesen Schlag musste erst mal jemand verdauen.
    »Caroline?« rief sie aufgeregt.
    Eine Antwort erhielt sie auch. Sogar so laut, dass selbst ich die Stimme hörte, aber nicht verstand, was sie sagte.
    Gloria Crane sprach und nickte wieder. »Ja, ja, ja, das ist ja schön. Das ist alles wunderbar…«
    Ich wurde allmählich kribbelig, weil sich die Frau noch immer nicht danach erkundigt hatte, wo sich ihre Enkelin aufhielt. Ich wollte sie nicht direkt ansprechen, sondern gab ihr ein Zeichen, auf das sie jedoch nicht achtete, denn sie sprach weiter, und ihre Stimme war nicht mehr als ein scharfes Flüstern.
    Und dann legte sie auf. Es geschah sehr plötzlich. Selbst ich wurde davon überrascht, schaute die Frau an und erkannte, dass sie ins Leere starrte. Das ließ bei mir den Schluss zu, dass sie nicht ganz freiwillig die Verbindung unterbrochen hatte.
    »Mrs. Crane, was ist los?« fragte ich sie.
    Die Frau schüttelte den Kopf.
    »Bitte, Sie müssen reden.«
    »Ja, ich weiß.« Mit einer fahrigen Bewegung strich sie über ihr Gesicht. »Das ist mir schon klar.«
    Sie zwinkerte mit den Augen. Erst dann setzte sie sich in Bewegung und kam mit schlurfenden Schritten auf mich zu.
    Als sie dicht vor mir stand, legte sie beide Hände auf meine Schultern, um eine Stütze zu bekommen. »Sie… sie war es, Mr. Sinclair. Es ist Caroline gewesen. Sie lebt!« Ihre Stimme nahm einen schrillen Klang an. »Haben Sie nicht gehört, Mr. Sinclair? Meine Enkelin lebt! Sie ist entführt worden, aber der verdammte Wolf hat sie nicht getötet.«
    »Das ist gut.« Ich hielt mich mit meinen Fragen zurück, weil Mrs. Crane noch zu sehr durcheinander war.
    Noch immer stand sie vor mir und benutzte mich als Stütze. Sie schüttelte dabei einige Male den Kopf, atmete scharf ein, dann ließ sie mich los und ging, leise vor sich hin flüsternd, zu einem Sessel, um dort Platz zu nehmen.
    Ich sah ihr an, dass sie noch immer nicht gestört werden wollte. Sie schaute zwar nach vorn, doch ich war davon überzeugt, dass sie die Dinge, die sie eigentlich hätte sehen sollen, nicht
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