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1274 - Der Wolf und das Mädchen

1274 - Der Wolf und das Mädchen

Titel: 1274 - Der Wolf und das Mädchen
Autoren: Jason Dark
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können Sie jetzt sagen, ob sich der Klang angehört hat wie der der Glocke im Freien oder der einer Standuhr? Unterschiede gibt es da schon.«
    »Das ist wohl wahr. Bei mir klang es entfernter. Ich glaube nicht, dass ich die Uhr in einer Wohnung gehört habe.«
    »Dann war es der originale Schlag.«
    »Bestimmt.«
    Ich atmete tief durch. Wenn alles so stimmte, mussten wir davon ausgehen, dass sich das entführte Mädchen in London aufhielt. Aber wie war es dort hingekommen? Hatte der Wolf Caroline tatsächlich bis nach London geschafft? Big Bens Glockenklang wies darauf hin. Nur wie war das möglich gewesen? Wie hatte es das Tier schaffen können, ohne gesehen worden zu sein?
    Auf diese Frage eine Antwort zu finden, war nicht ganz einfach. Allerdings auch nicht unmöglich, wenn ich über den Tellerrand hinausdachte. Wenn ich davon ausging, dass dieses Tier kein normaler Wolf war, sondern ein Werwolf, dann hatte es sich wieder in einen Menschen zurückverwandelt.
    Und nur so war es möglich gewesen, Caroline Crane nach London zu schaffen. Sie hatte sich dann nicht mehr in der Begleitung eines Wolfs befunden, sondern in der eines Menschen. Da konnte man wirklich nicht von einer Auffälligkeit sprechen.
    Noch etwas kam hinzu. Wenn Caroline so ruhig gesprochen hatte, dann konnte ihr dieser Mensch eigentlich nicht fremd gewesen sein. Sie musste ihn gekannt haben. Oder er war ein wahrer Meister der Psychologie, zusammen mit einem Geschick verbunden, Menschen für sich einnehmen zu können, eben wie auch ein Kind.
    Wir wussten jetzt, dass Caroline lebte, aber die Probleme waren trotzdem nicht weniger geworden.
    Sie hatten sich nur verlagert, und zwar nach London. Ich war hier nach Woodstone gekommen, doch hier zu bleiben, wäre eine verlorene Zeit gewesen.
    Durch ihr Kopfschütteln lenkte mich die Frau von meinen eigenen Gedanken ab. »Ich habe alles falsch gemacht«, flüsterte sie. »Ich hätte sie fragen sollen, wo ich sie erreichen kann. Ich hätte mich auch nach einer Telefonnummer erkundigen sollen. Was habe ich stattdessen getan? Nichts, gar nichts. Ich war aufgeregt und froh, dass es sie noch so gesund gibt.«
    Ich musste sie trösten und sagte: »Sie brauchen sich wirklich keine Vorwürfe zu machen, Mrs. Crane. Fast jeder Mensch an Ihrer Stelle hätte ebenso gehandelt.«
    »Ich weiß es nicht.« Sie zuckte die Achseln. »Sehen Sie denn noch eine Chance?«
    Ich lächelte. »Ob es eine Chance ist, weiß ich nicht, Mrs. Crane. Jedenfalls muss ich die Frau anrufen, die mich aus großer Sorge hergeschickt hat.«
    »Sie meinen Wendy.«
    »Wen sonst?«
    »Und was wollen Sie ihr sagen?«
    »Ich denke, dass ich die Wahrheit nicht verschwiegen kann. Allein der Fairness wegen.«
    Sehr einverstanden war sie mit meinem Vorschlag nicht. Sie druckste herum und sagte schließlich:
    »Ich weiß nicht, ob das unbedingt gut ist. Wendy wird sich aufregen. Sie wissen ja selbst, Mr. Sinclair, dass sie beruflich sehr engagiert ist. Sie steht im Blickfeld der Öffentlichkeit. Sie moderiert, tritt auf Galas auf, und ich weiß auch, dass sie heute Abend wieder eine Live-Sendung hat. Da muss sie topfit sein. Jede Ablenkung könnte schaden. Das gebe ich zu bedenken.«
    Ich schaute sie an und schüttelte den Kopf. Allerdings nur innerlich. Ich kam mit ihrer Denkweise nicht klar. »Aber Ihre Tochter ist eine Mutter, Mrs. Crane. Sie sind ebenfalls eine. Und ich nehme an, dass Mütter irgendwie alle gleich empfinden. Überlegen Sie mal, Ihre Tochter hat mich alarmiert, weil sie Angst um ihr Kind hat. Das ist schon ein hartes Stück.«
    »Die Show muss weitergehen. Sagt Wendy immer.«
    Ich bemerkte, dass Gloria Crane trotz ihrer Gegenargumente nicht eben überzeugt war. So etwas merkt man einem Menschen an. Und ich hatte einen Blick dafür.
    »Ja, sie wird auch weitergehen, Mrs. Crane. Davon bin ich überzeugt. Doch Ihre Tochter wird sich wohler fühlen und ihren Job irgendwie lockerer angehen, wenn sie weiß, dass mit Caroline zwar nicht alles in Ordnung ist, aber dass sie sich jetzt in London aufhält. Davon können wir zumindest ausgehen.«
    Ich schüttelte den Kopf und hakte mich gedanklich an meiner letzten Aussage fest. Wie war es denn möglich, dass ein Wolf oder ein Werwolf sein Opfer bis nach London schaffte?
    In der Nacht bestimmt nicht. Er hatte warten müssen, bis er sich wieder rückverwandelt hatte. Da war dann am Tag eben wieder alles normal bei ihm. Allerdings nur bis zum Anbruch der Dunkelheit. So lange der volle Mond am Himmel
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