Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1274 - Der Wolf und das Mädchen

1274 - Der Wolf und das Mädchen

Titel: 1274 - Der Wolf und das Mädchen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
wahrnahm.
    Da schaute sie einfach hindurch, denn gedanklich beschäftigte sie sich mit dem Anruf. Auch bewegte sie die Lippen, und wenn ich mich nicht zu sehr irrte, las ich den Namen ihrer Enkelin ab.
    Ich goss Wasser in ihr leeres Glas, das sie mit zittrigen Händen hoch nahm und an den Mund setzte.
    Sie trank mit kleinen Schlucken, verschüttete trotzdem etwas, weil sie den Kopf bewegte und immer nur den Namen ihrer Enkelin sagte.
    Für mich war es an der Zeit, ihr eine Frage zu stellen. »Können Sie sagen, was Caroline gesagt hat, Mrs. Crane?«
    Zunächst stellte sie das Glas ab. »Ja, das kann ich, Mr. Sinclair. Es geht ihr gut.«
    »Dann ist sie nicht verletzt?«
    »Nein.«
    »Toll.« Ich war ja froh. Trotzdem wurde die Sache für mich immer mysteriöser. »Aber hat Caroline Ihnen auch gesagt, wo sie sich aufhält? Sie haben ja länger mit ihr gesprochen, da muss das eine oder andere Wort gefallen sein.«
    »Das hat sie nicht, und ich habe auch nicht gefragt. Ich habe nicht daran gedacht. Ich war so überwältigt, dass Caro lebt, da konnte ich gar nicht anders reagieren.«
    »Das ist natürlich schlecht.«
    Die Frau hatte meine Antwort falsch verstanden und schaute mich böse an. »Nein, das ist nicht schlecht, Mr. Sinclair. Das ist sogar gut, wenn Sie verstehen. Sehr gut. Ich weiß jetzt Bescheid und kann mich darüber freuen.«
    »Ja, das stimmt, Aber es wäre besser gewesen, wenn wir beide wüssten, wo wir suchen sollten. Wir müssen sie finden. Sie muss uns sagen, was passiert ist.«
    »Jetzt schon.«
    »Und Sie haben nichts dergleichen gehört?«
    »Nein, Mr. Sinclair.«
    »Das ist natürlich alles andere als gut.« Ich war leicht angesäuert. Ich hatte auch das Gefühl, gegen eine Wand gelaufen zu sein. Es gab keine Hinweise darauf, wo ich mit der Suche hätte anfangen können, aber ich ging davon aus, dass der weiße Wolf das Mädchen in eine Gegend verschleppt hatte, in der es ein Telefon gab. So war mir klar, dass sie sich nicht in einem Wald verborgen hielt, und ein Handy hatte sie auch nicht mitgenommen.
    »Was soll ich denn jetzt machen, Mr. Sinclair?«, fragte Gloria Crane mit leiser Stimme.
    »Nachdenken.«
    Mit der Antwort konnte sie nicht viel anfangen, denn sie schüttelte den Kopf. »Nachdenken? Worüber?«
    »Über das Gespräch.«
    »Aber ich habe Ihnen alles gesägt, Mr. Sinclair.«
    »Das steht für mich fest. Trotzdem muss ich noch mal nachhaken. Bei jedem Gespräch gibt es gewisse Hintergrundgeräusche. Bitte, Mrs. Crane, denken Sie noch mal genau nach. Was haben Sie gehört an Hintergrundgeräuschen? Gab es sie überhaupt?«
    Die Frau mit den grauen Haaren atmete tief ein, hielt dann jedoch die Luft an. Sie atmete erst nach einer Weile durch die Nasenlöcher aus, und ich sah, dass sie überlegte.
    Da sie keine Antwort gab, hakte ich nach. »Haben Sie irgendwo Stimmen gehört oder andere Geräusche, die auf einen bestimmten Ort Rückschlüsse zulassen?«
    »Nein, das habe ich nicht.«
    »Sicher?«
    Ich rechnete mit einer negativen Antwort, doch schon an ihrem Verhalten sah ich, dass ihr etwas durch den Kopf ging. Sie musste sich an etwas Bestimmtes erinnert haben, und sie sagte einen Satz, der mir wieder Hoffnung machte.
    »Ja, da ist etwas gewesen. Jetzt, wo Sie mich daran erinnert haben, fällt es mir wieder ein.«
    »Super! Was denn?«
    Gloria Crane runzelte die Stirn. »Es war der Klang einer Glocke, Mr. Sinclair, einer Kirchenglocke. Sie hat angeschlagen, und den Klang kennt jedes Kind.« Sie zuckte zusammen, und ihr Kopf ruckte plötzlich in die Höhe. »Big Ben! Ja, das war Big Ben!«
    Da hatten wir es. Ich lachte nicht. Ich sagte nichts, ich blieb einfach nur stehen und dachte nach. Big Ben und sein Glockenklang gehören zu London wie die Themse oder das Wachsfigurenkabinett.
    Dieser Klang ist so typisch, dass er in aller Welt erkannt wird, und deshalb kam für mich auch nur eine Stadt infrage.
    »London«, sagte ich leise. »Caroline muss sich in London aufhalten, Mrs. Crane.«
    »Ja, meinen Sie?«
    »Wenn Sie sich nicht geirrt haben, schon.«
    Sie dachte nach, und ich ließ sie zunächst mal in Ruhe. »Geirrt habe ich mich nicht«, erklärte sie dann und schaute auf ihre Hände. »Aber ich denke auch daran, dass es viele Menschen gibt, die Standuhren mit gerade diesem typischen Klang in der Wohnung haben. Die gibt es ja nicht nur in London, sondern auf der ganzen Welt.«
    Da konnte ich nicht widersprechen. Ich versuchte es anders. »Da Sie die Glocke gehört haben, Mrs. Crane,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher