1275 - Der Totenkopf-Sammler
drückte sich meine Polizistenseele wieder vor, und ich würde überprüfen, ob sich der Mann geirrt hatte.
Ich wünschte es mir. Ich wünschte mir auch, dass die Köpfe, wenn er sie tatsächlich gesehen hatte, künstlich waren und nicht echt. Aber irgendwie hatte ich das unbestimmte Gefühl, es mit echten Köpfen zu tun zu haben. Ich kannte mich, und ich wusste, dass ich immer wieder in diese Situationen hineinglitt.
Um die Wohnung in der ersten Etage zu erreichen, musste ich nicht durch das Geschäft laufen. Es gab einen besonderen Eingang für das vierstöckige Haus, und dessen Tür war nicht geschlossen, denn jemand war aus dem Haus gekommen und stand in der Nische, um zu schauen, was sich abspielte. Auch einige Kunden hatten das Geschäft verlassen und sprachen heftig aufeinander ein.
Den Mann in der Nische störte es nicht, dass ich mich an ihm vorbei in den Flur hineinschob, in dem mich einige Gerüche empfingen, die aus dem Geschäft drangen. Es roch hier wie in einem Bad oder einer Badeanstalt.
Ich stieg die Treppe zur ersten Etage hoch. Hier gab es noch breite Holzstufen und ein entsprechendes Geländer. Von weiter oben hörte ich Stimmen. Sie klangen so, als würden Menschen am offenen Fenster stehen und nach draußen schauen, wobei sie sich dann unterhielten.
In der ersten Etage war es ruhig. Es gab nur eine Tür zu einer einzigen Wohnung. Hinter ihr musste der Mieter seine Köpfe versteckt haben. Ich schaute nach dem Namen, den ich von einem kleinen Schild ablas. Er hieß Simon Katic.
Klingeln oder nicht?
Ich entschied mich dafür.
Eine recht schrille Glocke hätte mit ihrem Klang auch Schlafende wecken können. Ich war gespannt, wie Katic reagierte und hörte zunächst mal nichts. Aber er befand sich schon hinter der Tür, denn als er antwortete, hörte ich seine Stimme recht deutlich.
»Wer ist da?«
»Öffnen Sie, Mr. Katic!«
»Wer sind Sie?«
»Ich heiße John Sinclair.«
»Scheiße, ich kenne Sie nicht.«
»Ich möchte aber mit Ihnen sprechen.«
»Nein, hauen Sie ab!«
»Nur zwei Minuten!«
Es blieb erst mal still. Mein Gefühl sagte mir, dass der Mann nicht verschwunden war, und so wartete ich auch weiterhin ab. Es gab kein Guckloch, durch das er mich hätte beobachten können.
Trotzdem trat ich zur Seite, denn ich wollte nicht durch das Schlüsselloch gesehen werden.
Im toten Winkel blieb ich stehen und hoffte auf die Neugier des Wohnungsinhabers oder Mieters.
Ich hatte mich nicht verrechnet. Nach nicht mal einer halben Minute, die dem Mieter sicherlich länger vorgekommen war, öffnete er die Tür sehr behutsam. Zuerst nur spaltbreit, sodass er einen guten Blick in den Flur hatte. Er zog sie dann weiter auf und entdeckte mich nicht, weil ich nach wie vor im toten Winkel stand.
Das machte ihn mutiger.
Er trat einen Schritt vor, dann noch einen und hätte mich gesehen, wenn er den Kopf nach links gedreht hätte.
Das tat er nicht, und so konnte ich ihn überraschen. Bevor er noch reagieren konnte, schnellte ich auf ihn zu, bekam ihn zu fassen und drückte ihn blitzschnell zurück in die Wohnung. Ich hörte noch den überrascht klingenden Schrei, dann hatten wir beide die Wohnung auf die etwas ungewöhnliche Art und Weise betreten. Mit der Hacke kickte ich die Tür zu und stieß den Mann gleichzeitig zurück.
Erschreckt taumelte er durch den sehr schmalen Flur, in dem zu allem Überfluss eine Truhe stand, gegen die er stolperte und sich dann auf den Deckel setzte.
»Keine Panik, Mr. Katic, ich möchte Ihnen nichts tun. Ich will nur etwas herausfinden.«
Der Mann war noch immer so überrascht, dass er nicht antworten konnte. Er schaute zu mir hoch und schüttelte dabei den Kopf. Simon Katic war ein Mann von ungefähr 40 Jahren. Über seiner Oberlippe wuchs ein dünner, dunkler Bartstreifen. Seine Haut war gebräunt, und das schwarze Haar noch sehr dicht. Es glänzte so dunkel, dass ich die Farbe als unecht ansah. Er trug blaue Jeans und ein kittelartiges Hemd.
»Alles klar«, fragte ich ihn.
Er schüttelte den Kopf. »Hau ab!« flüsterte er. »Hau endlich ab, du Hundesohn!«
Ich konnte verstehen, dass er sauer über mein Eindringen war. Wer allerdings so reagierte wie er, der hatte meiner Ansicht nach einiges zu verbergen.
Gelassen gab ich meine Antwort. »Ich werde auch gehen, Mr. Katic, aber zuvor möchte ich etwas herausfinden.«
»Verpiss dich!«
»Nein!«
Ich wollte ihm auch sagen, wer ich war, damit er mich nicht für einen Einbrecher hielt, doch dem kam er
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