1275 - Die Gorim-Station
stimmte etwas nicht!
Als ich die Meßwerte der Hyperdim-Strahlungen ablas, lief es mir siedendheiß über den Rücken. Die älteren Geräte wiesen den berühmten „Wickelzeiger" auf. Das hieß, daß ihre Skalen die Ausschläge nicht mehr anzeigen konnten, weil diese die verfügbare Kapazität überschritten. Die modernen Geräte hatten sich automatisch abgeschaltet oder sie signalisierten eine unverträgliche Überlastung.
Ich befand mich mitten in dem verrücktesten Sturm aus Hyperenergien. Aber mein Kopf war in Ordnung! Was juckten mich da Energien aus der gesteuerten Sonne Ak’abahr? Sie berührten mich nicht einmal peripher! Dort unten auf Shaddinn war eine Shabarenfrau in Not. Das allein zählte!
Was hieß da zählte? Es beflügelte!
Ich hätte auch ohne die Robotbeine meiner Eisernen Jungfrau und ohne Atmosphäre zu ihr eilen können. Ich mußte es tun!
Die Hyperstürme beutelten die Licht und Stern von Erendyra, aber das machte mir nichts aus. Ich fuhr alle Schutzschirme hoch und steuerte dieses wunderbare Schiff, daß Cher’ub retten und in eine neue Zukunft führen würde, sicher in einen Orbit um Shaddinn.
„Krächz! Kokon!" Meine Stimme überschlug sich fast. Aber auch das war mir egal. Es hörte ja niemand zu, von dem Feigling Plump einmal abgesehen. „Haltet mit den Sensoren Ausschau nach der zerstörten Gorim-Station. Sie muß irgendwo da unten sein."
„Krächz. Die Hyperenergien sind bedrohlich. Sie nehmen ständig in ihren Leistungspegeln zu. Bald wird sich das auf den Antrieb auswirken und auch auf dich und mich. Kokon kann ruhig verrecken."
„Im schmerzenreichen Tod verrecken", grunzte der Distelfrosch von irgendwoher, während ich mir ausmalte, wie wunderbar Cher’ub wohl aussah.
Die CANTLERY stöhnte immer mehr, aber für mich war das nur ein Ausdruck der Gefühle, die in mir tobten.
Beute und Frau! Alles lag zu meinen Füßen!
„Ich blase die Elfahder und diesen Leiermond bis ans Ende des Universums!" schrie ich voller Begeisterung.
Dann geschahen zwei Dinge gleichzeitig. Und beide waren sehr schlimm. Sie rissen mich aus meinen Träumen und meinen Sehnsüchten und führten mich zurück in die raue Wirklichkeit eines Raumfledderers.
Das Singen der Triebwerke, das ich noch immer zwischen dem Stöhnen der CANTLERY gehört hatte, erstarb mit einem Klagelaut. Mein Schiff trieb antriebslos nahe Shaddinn, aber es war fraglich, ob der Planet es mit seiner geringen Schwerkraft würde halten können. Nur wenige Lichtminuten entfernt zerrte der Weiße Zwerg Ak’abahr mit seiner unbändigen Gravitation an der CANTLERY.
Solche Situationen war ich gewohnt. Sie warfen mich nicht um. Da gab es immer eine Lösung. Für einen Shabaren der untersten Kaste war selbst der Tod eine Lösung.
„Aber nicht der Tod in der Nähe einer Shabarin!" Ich schrie die Worte heraus.
Was mich weit mehr berührte, war das zweite Ereignis. Hinter mir klang eine vertraute Stimme auf.
Und das war eben etwas, das mich regelrecht umwarf. Ich stolperte nach vorn und hatte Mühe, auf meinen zwei wirklichen und den beiden Robotbeinen zu bleiben.
„Ich meine, es langt jetzt, Longasc." Es war das Anti-Mädchen Pathythia Baal. Closcurt sollte sie holen und auffressen! Warum war sie heimlich an Bord der CANTLERY geblieben? Sie trug ihren geschlossenen SERUN. „Ich habe soeben den Kontakt zu Tek und Jenny verloren. Es muß an den Hyperdim-Emissionen liegen. Und zum Umkehren ist es ja wohl auch zu spät. Wir können nur hoffen, daß meine Freunde dir und mir ein zweites Mal aus der Patsche helfen."
Ich sagte nichts.
Kokon schwieg wie üblich.
Und Krächz knurrte: „Krächz! Ich sterbäää..."
Dann schwieg auch er.
Der Distelfrosch sagte nichts.
Und Cher’ub meldete sich auch nicht mehr.
„Ich habe wieder versagt, Path", murmelte ich. „Vielleicht ist es zu spät, um dich um Verzeihung zu bitten, aber ich tu's. Du kannst dir nicht vorstellen, was es für mich bedeutet, die Stimme einer Shabarin zu hören. Das ist schlimmer als dein Heimweh."
„Sagst du, alter Haudegen." Sie sah mich mitleidig an. „Heimweh ist schlimmer als der Tod, von dem du geträumt hast. Einsamkeit ist schlimm, Longasc, denn Einsamkeit hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Ich meine aber die Einsamkeit in Gegenwart derer, die man lieben sollte. Ich liebe sie nicht mehr, aber ich habe Heimweh nach ihnen.
Das versteht keiner. Und diesen Umständen hatte ich meine Fähigkeit, Realhologramme erzeugen zu können, zu verdanken.
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