1279 - Die Jenseits-Pyramide
weiß nicht, ob es sein richtiger Name ist, aber er nennt sich Karmel.«
Jane krauste ihre Stirn. Sie deutete damit an, dass sie damit nichts anzufangen wusste. »Weißt du denn, welche Bedeutung hinter dem Namen steckt?«
Ronny überlegte recht lange. Jane wusste nicht, ob er Theater spielte oder wirkliche Probleme hatte. »Es hat etwas mit dem Glauben der alten Ägypter zu tun. Bei uns ist es ja das Gleiche. Wir suchen nach dem ewigen Glück. Wir suchen danach, eine Verbindung zum Kosmos herzustellen. Zur Sonne und zu den Sternen, denn nur dort liegt unsere wahre Bestimmung.«
»Ist es der Osiris-oder der Isis-Kult?«
»Ja«
»Was denn?«
»Beides, glaube ich. So wie Osiris zum Himmel fuhr und der Sonne entgegen werden wir es ebenfalls schaffen.«
»Das hat euch Karmel gesagt?«
»Ja.«
»Und ihr habt es tatsächlich geglaubt?«
»Er war sehr überzeugend«, flüsterte Ronny. Immer wieder warf er den beiden Männern in den langen Mänteln schnelle Blicke zu, aber sie saßen ruhig auf ihren Plätzen.
»Und du hast ihm geglaubt?«, fragte Jane noch einmal.
Ronny Potter holte tief Luft. »Ja, ja«, gab er dann zu. »Ich habe ihm geglaubt. Ich bin zu dieser Sekte gekommen, weil ich einen Sinn in meinem Leben gesucht habe. Alle haben ihm geglaubt. Er ist der Meister, er ist wie ein Gott. Er ist übersinnlich. Er sagt, dass er die Kraft der Sonne beherrscht.«
»Dann müsste er ein Fan von Osiris sein.«
»Ja.«
»Und du?«
Ronny stierte ins Leere. »Ich weiß es nicht so genau«, gab er zu. »Ich weiß es nicht mehr. Ich habe es verdrängt. Ich war es mal, als ich noch auf der Suche gewesen bin. Die alten Religionen gaben mir nichts mehr. Ich suchte nach etwas Neuem in meinem Leben, und da bin ich eben auf diese Gemeinschaft gestoßen.« Er legte den Kopf schräg.
»Im Anfang, ging alles gut. Da fühlte ich mich super aufgehoben, aber ich sah dann die Schattenseiten. Ich erlebte, dass die Angst stärker war als die Überzeugung. So etwas kann nicht gut gehen. Die meisten litten unter der Angst, aber sie trauten sich nicht, etwas dagegen zu tun, denn Karmels Macht war ungeheuer. Ein Blick von ihm reichte aus, um die Menschen verstummen zu lassen. Sie trauten sich dann nicht mal, an etwas anderes zu denken. Er war der große Bruder im negativen Sinne. Er war der große Kontrolleur. Er schickte seine Gedanken in uns hinein, und ich fühlte mich irgendwann so unfrei wie nie in meinem Leben.«
Jane nickte und sagte: »Das also hat dich veranlasst, die Flucht zu ergreifen?«
»Ja, du hast Recht. Ich konnte eine günstige Gelegenheit ausnutzen und bin verschwunden. Es war nicht leicht, glaube mir, aber ich habe es geschafft und traf durch Zufall auf Roxanne Hill. Es war in einem Lokal. Ich hatte darin Zuflucht gesucht. An der Theke saßen wir nebeneinander und sind ins Gespräch gekommen. Ich fasste Vertrauen und erzählte ihr alles. Da sagte sie mir dann, wer sie wirklich war, und sie hat mich dazu überredet, in ihre Sendung zu kommen. Aber jetzt…«, er zuckte die Achseln. »Jetzt hat sie mich im Stich gelassen.«
»Wie kommst du darauf?«
Er blickte auf seine Uhr mit Plastikarmband. »Sie hätte schon längst hier sein müssen. Sie hat es mir versprochen. Ich sollte nur kurz vorgehen, dann wollte sie sich um mich kümmern.«
»Inwiefern?«
»Roxanne hat versprochen, mich in Sicherheit zu bringen. Ich sollte in einem kleinen Hotel ein Zimmer bekommen, aber jetzt ist die Sendung gelaufen, und sie wird mich wohl vergessen haben.«
Jane schüttelte ein paar Mal heftig den Kopf. »Nein, Ronny, das glaube ich nicht.«
»Warum nicht?«
Sie sprach leise. »Ich kenne sie zwar nicht persönlich, sondern nur aus ihrer Sendung, doch wie sie diese aufzieht, das ist schon bewundernswert. Wer sich so intensiv in seine Gesprächspartner hineinversetzen kann oder es versucht, der zieht kein Spiel ab. Der meint es wirklich ehrlich.«
»Und warum ist sie dann nicht hier?«
Diese Frage hatte Jane Collins erwartet.
»Eine Antwort kann ich dir leider auch nicht geben. Ich wusste es gern, aber es kann sein, dass sie aufgehalten wurde.«
»Oder man hat sie schon geholt.«
Das hatte Jane nicht sagen wollen, aber sie konnte Ronny leider nicht widersprechen. Es war alles möglich.
Die Fänger waren unterwegs. Sie mussten die Sendung ebenfalls gehört haben, und sie mussten davon ausgehen, dass sich ab jetzt die Öffentlichkeit um sie kümmern würde. So etwas konnte kein Geheimbund hinnehmen. Dass die beiden Männer
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