128 - Der Schläfer
gelungen ist, in unsere Community einzudringen. Wie Sie wissen, gibt es noch kein brauchbares Schema, um die Außerirdischen zu enttarnen. Das wird sich erst ändern, wenn wir einen lebend gefangen haben.«
»Worauf wollen Sie hinaus, Rulfan?« General Yoshiro beäugte ihn misstrauisch. So wie er das mit allen Menschen tat.
»Ich habe ein großes persönliches Interesse daran, die Scharte auszuwetzen, die ich mir mit Aunaara eingehandelt habe«, ließ Rulfan die Katze aus dem Sack. »Ich bitte daher um Ihre Zustimmung, in Salisbury Nachforschungen betreiben zu dürfen.«
Die Queen wirkte nachdenklich, genauso wie sein Vater. Es war deutlich zu sehen: Ihr Vertrauen in ihn war beschädigt.
Trotz allem, was er schon für die Communities getan hatte – in letzter Zeit waren ihm einfach zu viele Fehler unterlaufen.
Auch die Vorgänge rund um die Ermordung König Arfaars und die Waffenfehlfunktion in Aachen waren nicht zu seinem Vorteil ausgelegt worden. Die Queen und sein Vater betrachteten ihn ganz offensichtlich als Sicherheitsrisiko. So sehr er Eve an seiner Seite schätzte: Allein ihre Anwesenheit war ein eindeutiger Beweis des Misstrauens.
Die Antwort würde »Nein« lauten. Rulfan schloss die Augen und ballte grimmig die Hände. Er benötigte einfach eine neuerliche Chance, um den Glauben an sich selbst zu festigen.
Er brauchte sie so dringend wie einen Bissen Brot – und man wollte sie ihm nicht geben.
Eine Stimme ertönte. »Wenn Sie mir erlauben, Majestät – ich halte diese Idee für ausgezeichnet!«
War das die Stimme von Eve Neuf-Deville gewesen?
Tatsächlich! Sie war aufgestanden und blickte ruhig in die Runde.
Sie fuhr fort: »Ich begleite Rulfan nun bereits seit einigen Wochen und beschäftige mich intensiv mit den psychischen Auswirkungen, die die Täuschung der Daa’murin Aunaara bei ihm hinterlassen haben. Es gibt wahrscheinlich keinen Menschen in unseren beiden Gemeinschaften, der sich hartnäckiger und ernsthafter mit dem Daa’muren-Problem befasst als Rulfan. Ich möchte fast schon sagen, dass es bei ihm zu einer besonderen Form der Manie geführt hat.«
Warum breitete Eve seine psychische Diagnose in dieser Runde wie vor einem Ärztekongress aus? Wollte sie ihn lächerlich machen? Rulfan spürte, wie ihm das Blut zu Kopfe schoss.
»Andererseits ist Rulfan aufgrund seiner Sensibilisierung prädestiniert wie kein anderer, Jagd auf den möglichen Daa’muren-Agenten zu machen. Dass ein Erfolg ihm persönlich gut tun würde, möchte ich nur am Rande erwähnen.«
Die Octaviane schwiegen, auch die Queen zeigte eine verschlossene Miene. Eve fuhr mit ruhiger Stimme fort: »Wir würden den feindlichen Schläfer nur unnötig hochschrecken, wenn wir ein zwanzigköpfiges Einsatzteam auf ihn ansetzten. Es wäre vernünftig, nur ein oder zwei Leute für diese Jagd abzustellen. Ich möchte mich deshalb anbieten, Rulfan bei seiner Aufgabe zu unterstützen. Ich denke auch, dass ich meine Erfahrungswerte als Psychotherapeutin in diese Suche einbringen kann. Vielleicht gelingt es mir, ein Profil des Feindes auszuarbeiten, anhand dessen wir daa’murische Aktivitäten in Zukunft besser aufdecken können.« Eve setzte sich, und die fast schon unheimliche Ruhe hielt an. Die Octaviane blickten mehr oder minder ratlos umher.
»Eine Psychologin?«, fragte die Queen sinnend. »Warum nicht?« Ihr Gesichtsausdruck erhellte sich. »Dies wäre ein neuer, vielversprechender Ansatz. Wir wissen, dass die Daa’muren fremdartig agieren müssen, doch wir haben diese Andersartigkeit in ihren Wesenszügen noch nie wissenschaftlich aufgearbeitet. Ein schwerwiegendes Versäumnis, wie ich meine.« Sie sah zuerst Rulfan, dann Eve tief in die Augen. »Ich beauftrage Sie beide also mit der Suche nach dem möglichen Maulwurf. Ich erwarte einen täglichen Bericht auf meinem Schreibtisch, und vor allem einen raschen Erfolg! Sir Leonard – sind Sie mit meiner Entscheidung einverstanden?«
Sie hatte den Prime von Salisbury einfach übergangen.
Wahrscheinlich als Demonstration ihrer Machtposition. Denn eigentlich stand es nur Sir Leonard selbst zu, Rulfan und Eve den Auftrag zu erteilen.
Der alte Mann nickte wenig begeistert und wandte sich seinem Sohn zu: »Du lieferst deine Bericht bei mir ab, und ich werde sie dann an unsere verehrte Königin übermitteln.«
Nun – dies war eine Retourkutsche an Victorias Adresse.
Hohe Diplomatie in all ihren Grobheiten.
Die Queen lächelte säuerlich. »Gut. Dann sind wir uns einig,
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