Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
128 - Der Schläfer

128 - Der Schläfer

Titel: 128 - Der Schläfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
und wir können diese Runde auflösen. Ich verlasse mich darauf, dass unser Gespräch nicht an die Öffentlichkeit dringt, Lords und Myladies. Rulfan – kann ich Sie noch einen Moment unter vier Augen sprechen?«
    Er blickte überrascht hoch. Gab es denn noch eine Neuigkeit, oder wollte ihn die Queen für eine ihrer Intrigen einspannen?
    Langsam stand Rulfan auf. »Das war nicht fair!«, knurrte er Eve leise an, »Wie kannst du deine Meinung über meine psychische Verfassung in aller Öffentlichkeit kundtun?!«
    »Ich habe nur die Wahrheit gesagt«, antwortete Neuf-Deville seelenruhig, während sie sich streckte und dabei gähnte. »Du wolltest diesen Auftrag, das war dir anzusehen. Hände verraten alles, auch bei dir. Und mit meinen Argumenten konnte ich deinen Wunsch durchsetzen. Darüber hinaus bin ich wirklich daran interessiert, einen Daa’muren-Agenten zu analysieren.«
    »Du erreichst wirklich immer was du willst, nicht wahr?«
    »Immer«, entgegnete sie und zündete sich eine neue Zigarette an. »Und jetzt würde ich an deiner Stelle dem Ruf unserer geliebten Monarchin folgen. Sie ist ziemlich aufgeregt und hat positive Neuigkeiten für dich.«
    »Woher weißt du das schon wieder?«
    »Die Hände, Rulfan. Die Hände.«
    ***
    Die Queen drückte ihm einen Datenträger in die Hand. Ihre Arme waren schlank und dennoch kräftig, während ihr Gesamtbild zierlich, fast ätherisch wirkte. Sie war eine begehrenswerte Frau. Kein Wunder, dass Dave nur zu gerne zugegriffen hatte, als Matthew Drax die Avancen der Königin dankend ablehnte.
    »Ich setze mein ganzes Vertrauen in Sie«, sagte Victoria.
    Ihre grünen Augen strahlten ihn aufmunternd an, doch die Miene blieb ernst. »Ich bitte Sie, außerhalb dieses Kreises niemandem zu vertrauen. Auch den Octavianen in Salisbury nicht.« Sie fuhr sich mit dem Handrücken nachdenklich über die Stirn. »Wir glauben, dass der Verräter eine hochrangige Persönlichkeit Ihrer Community sein könnte. – Doch nun genug über dieses traurige Thema; alles Weitere finden Sie in den Dateien.« Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen; ein freudiges, fast mädchenhaftes Lächeln. »Ich habe gestern Nachmittag eine Nachricht von unserem Stützpunkt in Dover erhalten, die Sie interessieren wird.«
    »Und die wäre?« Rulfan beugte sich interessiert vor, als die Queen einen Bildschirm aktivierte.
    »Wie Sie wissen, beobachten wir die See-Passage nach Calais mit besonderem Interesse. Ein EWAT ist ständig entlang des Ärmelkanals im Einsatz und beobachtet mögliche große Personenbewegungen.«
    Rulfan nickte. Die Straße von Dover war ein strategischer Knotenpunkt der britischen Verteidigungslinien und dementsprechend stets im Blickpunkt.
    Der Bildschirm flackerte und zeigte schließlich ein gestochen scharfes Bild der bekannten Küste. Die hohen weißen Kreidefelsen waren nach wie vor das Erste, was ein Reisender zu sehen bekam, wenn er sich über den Ärmelkanal wagte.
    Rulfan wusste aus eigener schmerzhafter Erfahrung, dass sich die so harmlos wirkende Meerenge binnen kürzester Zeit in ein Albtraumgebiet verwandeln konnte. Selbst der härteste Seebär weigerte sich dann, den sicheren Hafen zu verlassen. Es waren nicht nur die tobenden Winterstürme, die einen in Angst und Schrecken versetzten. Eine sonst recht harmlose Vogelart wurde durch die Unwetter regelmäßig in Raserei versetzt. Die Alben verließen dann ihre Nistplätze in den Felsen und stürzten sich wie rasende Furien auf Beute jeglicher Art. Mit mehr als eineinhalb Metern Flügelspannweite und pickelscharfen Schnäbeln waren sie ein ernst zu nehmender Gegner für jedermann. Ganze Kähne waren von ihnen regelrecht zerhackt worden. In jeder Kneipe entlang der britanischen Küstenlinie konnte man sich schauderhafte Geschichten erzählen lassen, die nicht alle ins Reich der Märchen zu verweisen waren.
    »Achten Sie auf diesen kleinen Segler«, unterbrach die Queen Rulfans Gedanken. Die Aufnahmen waren aus einer Höhe von vielleicht dreißig Metern aufgenommen worden. Ab und zu geriet ein breiter schwarzer Flügel in die Optik. An der Bildschirm-Unterseite blinkte der Schriftzug »Digger-8«. Ein dressierter Kolkrabe, natürlich.
    »Jetzt«, flüsterte Viktoria. Der Segler stemmte sich gegen den schäbigen Pier von Dovaa. Taue wurden geworfen und vertäut. Mehrere Menschen verließen über eine schwankende Planke das Schiff. Darunter eine Frau, die Rulfan bekannt vorkam.
    Der Kolkrabe flog eine steile Kurve und tauchte hinab,

Weitere Kostenlose Bücher