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128 - Der Schläfer

128 - Der Schläfer

Titel: 128 - Der Schläfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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dem Weg.«
    »Buchanan? Die Glatzköpfige? Ein widerliches Frauenzimmer, und sie stinkt aus dem Mund wie einer der Biglords. In letzter Zeit ist sie besonders aufdringlich und lästig.«
    Gemurmelte Bemerkungen, hinter dem Deckmantel der Verschwiegenheit getätigt. Meist gehässig, oft aus glühender Eifersucht oder Widerwillen gegen die Arbeit gemacht, immer von frustrierten unteren Chargen stammend.
    Eve blieb stets wie ein Schatten hinter ihm. Nur ab und zu machte sie eine Bemerkung. »Hände beobachten« nannte sie das.
    Rulfan hatte so seine Schwierigkeiten, die richtigen Fragen zu finden und dabei auch noch so unauffällig wie möglich vorzugehen. Wie gesagt: Diplomatie war nicht immer seine Sache.
    Gegen Mittag setzten sich Eve und er in eine dunkle Ecke des Speisezimmers, möglichst weit weg von neugierigen Augen und Ohren. Was nicht leicht war, denn so wie in allen anderen Räumlichkeiten des »Nestes« herrschte auch hier klaustrophobische Enge.
    Rulfan stocherte lustlos im Menü herum, das aus einem undefinierbaren Fleischbrei und zerquetschten Tofanen bestand. Zu allem Unglück waren beide Massen ineinander verquirlt. Sie formten ein Bild, das durchaus der Fantasie eines Surrealisten aus dem zwanzigsten Jahrhundert hätte entspringen können.
    »Ein Königreich für ein fettes Stück Wild«, seufzte Rulfan.
    »Am Spieß gebraten, mit einem Salzstein bestrichen und dem eigenen Fett begossen.« Angewidert schob er Plastikschüssel, Plastikbesteck und Plastikbecher beiseite.
    Eve verzog das Gesicht. »Manchmal redest du wirklich wie einer dieser Grandlords. Fang aber bitte nicht auch noch zu rülpsen und zu furzen an.«
    »Keine Sorge.« Rulfan grinste sie müde an. Wieder einmal plagten ihn Kopfschmerzen, und das Denken fiel ihm schwer.
    Mit Mühe machte er sich seine Aufgabe bewusst. »Was hältst du von dem, was die Leute über unsere Octaviane sagen?«
    Eve rührte nachdenklich im Becher mit dem Kaffeeersatz.
    »Das ist alles ziemlich harmlos«, entgegnete sie schließlich.
    »Da gibt’s die üblichen Eifersüchteleien und Kämpfe in der Hackordnung. Ein paar Phobien und Manien habe ich gesehen, die vom wissenschaftlichen Standpunkt aus interessant wirken…«
    »… die uns aber momentan ganz egal sein müssen«, mahnte Rulfan sanft.
    Sie lächelte. Bezaubernd.
    Ist das bloß unverbindlich gemeint oder gilt es mir als Person?, fragte sich Rulfan.
    »Du hast natürlich Recht«, sagte sie schließlich. »Aber um auf deine Frage zurück zu kommen: Ich würde sagen, dass der Vormittag nichts Neues brachte. Nichts, was uns über die Octaviane berichtet wurde, lässt auf irgendwelche Verhaltensauffälligkeiten deiner Verdächtigen schließen.«
    »Gut.« Rulfan gab sich einen Ruck und stand auf. »Dann kümmern wir uns jetzt um die Zentral-Helix.«
    »Kennst du dich mit diesem Ding tatsächlich aus?« Eve tat erstaunt.
    »Ich habe noch andere Qualitäten«, sagte Rulfan. »Mein bisheriges Leben bestand nicht nur aus Fressen, Furzen und Rülpsen, wie du vielleicht annimmst. In meiner Jugend habe ich auch ein paar Kleinigkeiten gelernt. «
    Sie zeigte erneut ein Lächeln, und diesmal war er sicher, dass es ganz alleine ihm gewidmet war.
    ***
    »Wir können nicht allzu lange hier bleiben, ohne Aufmerksamkeit zu erregen«, flüsterte Rulfan. »Stell dich bitte so hin, dass du das Objektiv der Kamera dort oben versperrst und man gleichzeitig durch die Glastüre nicht sieht, was ich eigentlich mache.«
    »Beides auf einmal?« Eve runzelte die Stirn.
    »Es geht«, meinte er ungeduldig. »Da hin! Dreh dich um. Jetzt bleib ruhig stehen, sieh gelangweilt nach draußen oder beschäftige dich mit irgendwas…«
    Eve gab keine Antwort, aber sie folgte seiner Anweisung.
    Es musste rasch gehen. Zwei, drei Minuten hatte er, dann würde man sich wundern, was sie so lange in dem kleinen Raum taten.
    Rulfan konzentrierte sich. Er hatte in seiner Jugend einen Überrangbefehl in das Gefüge der Helix eingeschleust. Einen Schläfer, der mit einer achtzehnstelligen Zeichenkombination aufgeweckt werden konnte und ihm Zugriff auf eine Vielzahl von Datenbergen gewährte. Leider konnte er nicht jedes beliebige Terminal für sein unerlaubtes Eindringen in die Datenwelt Salisburys nutzen. Das Manöver funktionierte nur von hier aus.
    Er rief sich die Kombination – eine Zahlenfolge, die sich aus den Geburtstagen seines Vaters, seiner Mutter und seines eigenen zusammensetzte – in Erinnerung. Wie von allein tanzten die Finger über die

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