1287 - Wiedersehen im Jenseits
schütteln.
»Sie hat es wieder mal geschafft«, sagte Suko und lachte nicht eben freundlich. »Sie hat ihren Willen erneut durchgesetzt. Irgendwie muss ich sie bewundern.«
Ich winkte ab. »Wenn du sie zurückhalten willst, kannst du sie nur fesseln. Etwas anderes ist nicht möglich. Aber wer will das schon?«
»Ich nicht.«
»Genau, Suko, ich auch nicht.«
»Dann können wir ja hier sitzen bleiben und die Daumen drehen - oder?«
»Meinst du?«
»Mach einen besseren Vorschlag.«
Den hatte ich im Moment nicht. Zumindest keinen, der uns direkt ans Ziel brachte. Manchmal ist es wichtig, sich Informationen zu holen, und das wollte ich tun. Wir würden Büroarbeit leisten und uns mit dem Leben der Männer beschäftigen, die Selbstmord begangen hatten. Es konnte durchaus sein, dass der eine oder andere tatsächlich Kontakt zu diesem Abraham Ascot gehabt hatte…
***
Natürlich hatte die Horror-Oma kein gutes Gefühl, als sie aus dem Taxi stieg und zum Fahrgeld ein ordentliches Trinkgeld hinzulegte. Sie ließ es sich nicht anmerken, bedankte sich für die gute Fahrt und schaute dann an dem Haus hoch, in dem Abraham Ascot seine Praxis eingerichtet hatte.
Sie hatte sich zwar keine Vorstellung davon gemacht, doch sie war schon überrascht, als ihr Blick an der Fassade hochglitt. Mit einer derartig glatten Aussicht hatte sie nicht gerechnet. Ein sechsstöckiges Geschäftshaus, das noch nicht sehr lange stand, denn es sah ziemlich neu aus.
Sarah hätte sich eher eine alte Villa vorstellen können, in die sich der Psychologe vergraben hatte, aber so etwas machte auf sie keinen guten Eindruck. Das war zu nüchtern, zu kahl, zu abweisend.
Möglicherweise dachte sie auch zu konservativ. Im Innern konnte es ganz anders aussehen.
Beim Haus war das nicht der Fall. Auch hier erlebte sie einen nüchternen Stil. Menschen wohnten hier nicht. Hier wurde nur gearbeitet, und so gab es auch eine Anmeldung in der Mitte der Halle. Hinter einem Steintresen, auf dem eine halbrunde Holzplatte lag, saßen eine Frau und ein Mann. Der Mann im grauen Anzug sah eher wie ein Aufpasser auf, der jeden Besucher misstrauisch musterte. Bei Sarahs Anblick wurde sein Blick wieder sehr schnell neutral.
Sarah grüßte freundlich, und die junge Frau im dunkelblauen Kostüm grüßte zurück.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Mein Name ist Sarah Goldwyn. Ich bin bei Dr. Abraham Ascot angemeldet.«
»Ah ja. Moment bitte.« Sie hob den Hörer eines schwarzen Telefons ab, drückte einen Knopf und war sehr bald mit der Praxis des Psychologen verbunden.
Man ging hier eben auf Nummer sicher, doch das war bei Sarah nicht nötig. Sie machte einen so harmlosen Eindruck, dass niemand misstrauisch werden konnte.
»Fahren Sie bitte in den dritten Stock, Mrs. Goldwyn. Dort wird man Sie in Empfang nehmen.«
»Danke.«
Die Liftkabine war ebenfalls wenig gemütlich. Das Metall an den Wänden schimmerte kalt wie ein Spiegel. Lady Sarah wurde dabei an ein Grab in der Zukunft erinnert.
Sie war froh, die Kabine verlassen zu können und betrat eine andere Welt. Der Flur war nicht zu schmal. Warme Farbtöne herrschten an den Wänden vor. Das sanfte Grün sollte beruhigen. Seine Farbe wurde auch nicht von dem neutralen Teppichboden beeinflusst.
Zwei Mieter teilten sich die Etage. Links war eine Firma, die sich mit der Entwicklung von Software beschäftigte, und rechts wurde bereits eine Tür geöffnet, aus der eine Frau trat, die Lady Sarah anlächelte.
»Einen wunderschönen guten Tag wünsche ich Ihnen. Sie müssen Sarah Goldwyn sein.«
»Ja, das bin ich.«
»Mein Name ist Katja«, sagte die Frau und reichte Sarah die Hand. »Ich bin so etwas wie das Mädchen für alles. Wenn Sie sich über meinen Namen wundern, ich stamme aus der Schweiz.«
»Ein schönes Land.«
»Danke.«
Sie plauderten, als sie die wenigen Schritte zum Vorzimmer gingen. Sarah Goldwyn musste zugeben, dass Katja es verstand, den Patienten die Scheu zu nehmen. Sie war zwischen 30 und 40. Und sie passte hierher. Nicht aufdringlich geschminkt, sondern mit einem sehr dezenten Make-up versehen.
Das blonde Haar war glatt nach hinten gekämmt, im Nacken zu einem Knoten gedreht, aber durch einige zur Seite fallenden Strähnen wirkte die Frisur nicht streng.
Blaue Augen schauten Sarah prüfend an, als die Horror-Oma gebeten wurde, für einen Moment noch zu warten. »Mr. Ascot muss noch einige Unterschriften leisten«, erklärte Katja.
»Soll er. Ich habe Zeit.«
»Danke für Ihr
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