1287 - Wiedersehen im Jenseits
gespannt anschauten. »Mich würde wirklich interessieren, ob die vier Selbstmörder allesamt Patienten dieses Psychologen gewesen sind. Das wäre wirklich mal interessant.«
»Sehr gut«, sagte ich.
»Er wird dir nicht antworten«, schränkte Sarah ein. »Patientenschutz, sage ich da nur.«
Ich winkte ab. »Das würden wir herausfinden. Die Toten hatten Verwandte und Freunde. Es kann durchaus sein, dass der eine oder andere hin und wieder mit diesen Menschen über seine Probleme gesprochen hat, weil er allein damit nicht mehr zurechtgekommen ist.«
»Einen Versuch ist es wert.« Sarah war da optimistisch. Sie zeigte auch ein spitzbübisches Lächeln.
»Außerdem muss ich euch jetzt verlassen, weil ich noch einen Termin habe.«
»Aha«, sagte ich lächelnd. »Wer wartet denn so gespannt auf dich?«
»Ich habe einen Termin bekommen. In zwei Stunden muss ich bei diesem Menschen sein.«
Sie brauchte nichts mehr zu sagen. Bei Suko und mir leuchteten in den Köpfen zwei Kronleuchter auf.
»Bei Ascot?«, flüsterte Suko.
»Gut geraten.«
Ich verdrehte die Augen. Wieder einmal hatte sie es geschafft, sich reinzuhängen. Lady Sarah besaß einen untrüglichen Instinkt für bestimmte Dinge, in die sie ihre Nase steckte, und für einen Moment rann es mir kalt den Rücken hinab.
Klar, sie hatte versprochen, sich nicht mehr in bestimmte Dinge einzumischen, aber Sarah konnte einfach nicht anders handeln. Das wäre wider ihre Natur gewesen.
»Warum schaust du mich so an, John?«
»Weil ich an Jane Collins denke, die ihren Horror und ihren Stress mit einem Psychiater hatte.«
»Das weiß ich. Aber ich bin nicht Jane. Und wer nimmt schon eine alte und wacklige Frau wie mich ernst? Wer glaubt schon an eine Gefahr, wenn er mich sieht? Ich glaube nicht, dass ein Abraham Ascot da einen Durchblick hat.«
»Ich bin trotzdem dagegen«, erklärte ich.
»Und ich ebenfalls«, stand Suko mir bei.
Die Horror-Oma schüttelte den Kopf. »Seid doch nicht so negativ«, sagte sie und lächelte breit. »Es wird schon alles in Ordnung gehen. Was sollte er mir denn antun? Er kennt mich nicht. Außerdem ist nicht sicher, ob man ihn überhaupt verdächtigen muss. Das muss doch erst auf die Probe gestellt werden. Und wer ist dafür besser geschaffen als eine neutrale Person wie ich?«
Da hatte sie prinzipiell Recht. Nur wollten wir beide nicht, dass sich Sarah in ihrem Alter wieder in Gefahr begab. Das hatten wir schon oft genug gehabt. Bisher war sie mit dem Leben davongekommen, aber es war manchmal mehr als knapp gewesen.
»Denk daran, was wir abgemacht haben«, erinnerte ich sie.
»Das weiß ich, John. Aber willst du mir einen Arztbesuch verbieten?«
»Bestimmt nicht.«
»Dann versuche auch nicht, mich davon abzuhalten. Ich hätte euch ja nichts zu sagen brauchen, so wie ich es bei Jane Collins getan habe. Aber ich bin sogar zu euch gekommen und habe euch eingeweiht. Das solltet ihr bitte goutieren.«
»Dieser Mensch kann gefährlich sein«, warnte Suko. »Sogar lebensgefährlich, wenn man ihm auf die Füße tritt.«
»Er kennt mich nicht.«
»Aber er wird dich kennen lernen.«
Sie lächelte breit. »Glaubt ihr das wirklich? Ich werde mich natürlich ihm gegenüber nicht offenbaren. Ich kenne die Menschen ein wenig, und ich bin alt genug geworden, um sie durchschauen zu können.«
»Wir wollen, dass du noch älter wirst«, sagte ich.
»Danke, John, das ist nett.« Sie schaute auf die Uhr. »So, jetzt muss ich aber gehen.«
»Eine Sache noch!«, hielt ich sie auf.
»Ja?«
»Die Anschrift.«
»Ach ja, das hätte ich fast vergessen. Soll ich sie euch notieren?«
»Nicht nötig. Wir werden sie auch so behalten.«
»Der Psychologe wohnt in Whitechapel, nicht weit von der Whitechapel Art Gallery entfernt. Da kann ich sogar mit der U-Bahn bis Aldgate fahren. Ist doch alles super für eine Frau wie mich.«
Für sie schon, für uns weniger. Aber wir wussten auch, dass wir sie nicht zurückhalten konnten.
»Ihr braucht keine Sorgen zu haben«, erklärte sie beim Aufstehen. »Ich lasse von mir hören, und ich glaube auch, dass die Sitzung nicht besonders lang dauern wird.«
»Das hoffen wir.«
»Danke. Dann drückt mir die Daumen und versucht inzwischen, Helena zu fangen.«
Das hätten wir gern getan. Nur konnten wir es ihr nicht hundertprozentig versprechen.
»Den Weg werde ich schon allein finden, meine Lieben«, sagte sie und verschwand. Wir blieben zurück, saßen auf unseren Stühlen und konnten nur die Köpfe
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