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1288 - Das unheimliche Mädchen

1288 - Das unheimliche Mädchen

Titel: 1288 - Das unheimliche Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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uns an, bevor jemand eine der drei Schüsseln in unsere Richtung schob.
    Ich schaute hinein und sah eine Suppe, in der alles Mögliche an Gemüse, aber auch kleine Speckwürfel schwammen.
    »Das ist eine Minestronesuppe, wie ich sie koche«, erklärte die Nonne, die mir gegenübersaß.
    »Dann wird sie mir besonders gut schmecken.«
    Die Frau strahlte über das ganze Gesicht. »Sagen Sie es, wenn es nicht so ist.«
    »Da brauche ich nur zu riechen, um den nötigen Hunger zu bekommen.«
    Damit hatte ich nicht gelogen. Ich sorgte nicht nur für mich, sondern auch für Gabriela, indem ich ihr Suppe auf den Teller schöpfte. Sie saß starr neben mir, den Blick zwar gegen den Teller gerichtet, aber trotzdem ins Leere.
    »Sie können ruhig essen«, forderte die Köchin mich auf, bevor sie wieder ihren Platz einnahm, »gebetet haben wir bereits.«
    »Danke, das ist nett.«
    Sie ging, und ich hörte die neben mir sitzende Gabriela schnaufen. Essen konnte sie noch nicht. Es kostete sie eine zu große Überwindung, nach ihrem Löffel zu greifen und ihn in die Suppe zu tauchen.
    Vielleicht lag es auch daran, dass sie unter Beobachtung stand, denn die Blicke der Nonnen waren mehr oder weniger heimlich auf sie gerichtet, obwohl die frommen Frauen aßen.
    Niemand sprach. Die Stille war zwar vorhanden, für mich gab es sie trotzdem nicht. Ich war umgeben von einer fremden Geräuschkulisse, die sich aus leisem Klappern und dem Eintunken der Löffel in die Suppe zusammensetzte.
    »Du isst nichts?«, fragte ich leise.
    »Nein.«
    »Warum nicht?« Ich hatte bereits probiert und fand die Suppe großartig.
    »Weil ich nicht kann, John. Es ist unmöglich, das musst du mir glauben. Bei mir sitzt alles zu. Ich habe nicht nur den Kloß in der Kehle, sondern auch im Magen.«
    »Es geht uns jetzt gut!«, flüsterte ich zwischen zwei Löffeln gefüllt mit Suppe. »Keine Probleme, auch kein Feuer. Nichts brennt. Hier ist wirklich alles normal.«
    »Ja.« Und trotzdem zischelte sie, wobei sie ihre Augen bewegte. »Ich komme mir vor wie jemand, der in einem Pelzmantel in die Sauna geht. Von allen Seiten werde ich nur angestarrt. Jeder wartet darauf, dass ich mich bewege.«
    »Nein, das ist doch Unsinn.«
    »Das sagst du nur so, John. Ich weiß, dass es so ist wie ich es empfinde. Sie alle beobachten mich. Sie halten mich unter Kontrolle. Ich bin ein Fremdkörper. Sie wissen nicht, was sie von mir halten sollen, aber wahrscheinlich hat es sich herumgesprochen, wer ich bin und woher ich komme. Im Knast und im Kloster geschieht das nie laut, aber unter der Hand erfahren die Menschen alles.«
    »Höchstens die Oberin weiß mehr über dich.«
    »Das reicht schon.«
    Ich wollte nicht weiter in sie dringen. Außerdem war sie kein kleines Kind. Sie musste wohl meinem Gesicht angesehen haben, wie ich die Dinge sah, und wahrscheinlich nur um mir einen Gefallen zu tun, griff sie zum Löffel.
    Ich lächelte kurz, blickte aber an ihr vorbei zu den übrigen Esserinnen hin, die ebenfalls registriert hatten, dass die Neue jetzt zu essen begann. Auch die Oberin machte einen zufriedeneren Eindruck und auch einen entspannteren.
    »Schmeckt es dir?«, flüsterte ich.
    »Ausgezeichnet.«
    »Tatsache?«
    »Ja.« Auch der dritte Löffel mit Suppe verschwand in ihrem Mund.
    Es gefiel mir trotzdem nicht, wie sie sich bewegte. Alles sah sehr langsam aus. Sie wirkte, als hätte sie große Mühe, den Löffel überhaupt anzuheben.
    Da stimmte was nicht…
    Ich wollte Gabriela nicht schon wieder fragen und ließ sie zunächst in Ruhe. Auch jetzt wurde kein Wort gesprochen. Man hielt die Schweigepause beim Essen ein, das war abgemacht, das war Tradition, das wurde nicht gebrochen.
    Meinen Teller hatte ich schon zu einem guten Teil geleert. Ich wollte auch nicht zu schnell essen, legte eine Pause ein und schaute über den recht schmalen Esstisch hinweg auf die andere Seite, wo jedoch niemand saß und mein Blick auf die kahle Wand fiel. Kein Bild, keine Fresken, kein aufgemalter Spruch, nichts störte die Kahlheit in diesem Raum, in dem mir alles so fremd vorkam.
    Neben mir tauchte Gabriela den Löffel zum vierten Mal in die Suppe. Ich wusste selbst nicht, weshalb ich sie dabei so streng beobachtete, es konnte sich um eine gewisse Vorahnung handeln. Es lief auch alles normal in den nächsten Sekunden ab. Gabriela holte den mit Suppe gefüllten Löffel wieder hervor, und jetzt musste sie ihn eigentlich zum Mund führen. Genau das tat sie nicht.
    Auf halbem Weg stoppte sie in der

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