1288 - Das unheimliche Mädchen
die sich um den Feuerengel Uriel drehten. Sollte er einen Kontakt zu dem Mädchen gefunden haben? Ich drängte diesen Gedanken nicht zur Seite, denn ich hatte selbst erlebt, wie stark mein Kreuz reagierte. Deshalb brauchte ich auch nicht weiter zu denken. Es gab eine Verbindung zwischen Gabriela und Uriel. Bisher hatte sie mein Kreuz noch nicht gesehen. Auch jetzt zögerte ich damit, es ihr zu zeigen. Ich wollte sie erst in Aktion erleben und sie dann damit konfrontieren.
Mein nachdenkliches Gesicht war ihr nicht verborgen geblieben. »Worüber denkst du nach, John?«
»Über dich auch.«
»Und weiter?«
Ich räusperte mich. »Ich denke ebenfalls an den Engel des Feuers, der Uriel heißt.«
»Und?«
»Kennst du ihn?«
Sie schaute zu Boden. »Ich weiß es nicht genau. Es kann sein, dass ich den Namen schon gehört habe. Aber das will ich nicht mit Sicherheit behaupten, John.«
»Gut.« Ich nickte. »Wir werden sehen. Eines hat sich jetzt geändert, Gabriela.«
»Was denn?«
»Ich werde von nun an nicht mehr von deiner Seite weichen. Wir bleiben immer zusammen.«
»Auch in der Nacht?«
»Gerade dann.«
Sie senkte den Kopf. Überlegte. Ihre Lippen bewegten sich. Dann zog sie die Nase hoch. »Gut, tu das. Ich denke, dass ich nicht mal schlafen kann nach dem, was alles passiert ist.«
»Und du wirst mir Bescheid geben, wenn es dich doch wieder packt. Mal sehen, ob ich dann etwas für dich tun kann.«
Sie blickte mich jetzt aus ihren großen dunklen Augen an. »Wie willst du das denn schaffen?«
»Das wirst du erleben, wenn es so weit ist. Jedenfalls habe ich mir vorgenommen, das Rätsel um deine Person zu lösen. Es müsste doch wirklich mit dem Teufel zugehen, wenn wir das nicht gemeinsam schaffen. Bisher bin ich noch immer besser gewesen als er.«
Den letzten Satz hätte ich nicht sagen sollen. »Du… du… kämpfst gegen den Teufel?«
Eine Antwort blieb mir zum Glück erspart, denn es klopfte an die Zimmertür.
»Wer kann das sein?« Gabrielas Stimme zitterte, so sehr stand sie noch unter dem Druck der eigenen Angst.
Ich stellte keine Frage, sondern öffnete. Eine fremde, noch jüngere Nonne schaute mich etwas verlegen lächelnd an. Bevor ich etwas fragen konnte, sagte sie mit leiser Stimme: »Ich bin gekommen, um Sie zu Tisch zu bitten, wenn Sie mögen.«
Ich schaute zurück. »Mögen wir?«
Gabriela nickte. »Ja, ich möchte etwas essen.«
»Gut«, sagte die junge Nonne, die zugehört hatte. »Dann darf ich Sie begleiten?«
»Gern«, erwiderte ich lächelnd.
Gabriela hatte mein Versprechen sehr ernst genommen. Sie hielt sich nicht nur dicht an meiner Seite, sie fasste mich sogar, und so spürte ich ihre linke Hand an meiner rechten. Die Haut war etwas kühl und auch von einem leichten Schweißfilm bedeckt.
Auf dem Weg zum Speiseraum sagten wir nichts. Die junge Nonne sprach uns ebenfalls nicht an. Erst als wir den Eingangsbereich erreicht hatten, redete sie wieder und deutete gleichzeitig nach vorn.
»Dort entlang, bitte.«
Es war genau die zum Büro entgegengesetzte Richtung, in die wir gingen. Viel änderte sich nicht. Das Licht blieb recht zurückhaltend, der Boden bestand weiterhin aus den großen Steinquadraten und glänzte wie frisch geputzt.
Der Geruch von Essen wehte uns entgegen, noch bevor wir die Tür des Speiseraums geöffnet hatten.
Es roch gut, und mir lief das Wasser unter der Zunge zusammen.
Ich warf Gabriela einen schnellen Blick zu. Ihr Gesicht blieb unbeweglich. In ihren Augen lag ein ängstlicher und zugleich lauernder Ausdruck.
Die Nonne öffnete uns die Tür. »Bitte, treten Sie ein. Am Ende des Tisches sind zwei Plätze für Sie frei gehalten worden.«
»Danke«, erwiderte ich und schob mich als Erster in den kahlen Raum mit dem langen Tisch hinein.
An ihm saßen bereits die Nonnen. Die Oberin hatte den Platz am Kopfende eingenommen. Sie konnte auf ihre Schäfchen schauen, die zu beiden Seiten des Tisches saßen.
Wenn ich die Nonne mit hinzuzählte, die uns hergeführt hatte, kam ich auf die Zahl zwölf.
Die Oberin drehte sich auf ihrem Stuhl um, als wir den Speiseraum betraten. »Es freut mich, dass Sie der Einladung gefolgt sind. Wir haben selten Gäste, aber stets ein gutes Essen.«
»Das riecht man«, sagte ich und meinte es ehrlich, denn es roch tatsächlich gut.
Auf dem Tisch standen drei Schüsseln, aus denen es dampfte. Wir gingen zu unseren Plätzen am unteren Ende des Tisches und nahmen auf den harten Stühlen Platz. Lächelnde Gesichter schauten
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