129 - Der Vampir von Budapest
Schlösser waren uralt und so primitiv, daß ich keine Schwierigkeiten hatte, eines davon zu knacken.
Drinnen empfing uns eine unangenehme Kälte, die uns aus den Mauern entgegenzuwehen schien.
Wir stiegen eine Treppe hinunter. Ich hatte eine Kugelschreiberlampe dabei. Sie spendete nicht umwerfend viel Licht, aber sie hellte das Dunkel wenigstens so weit auf, daß wir jedes Hindernis rechtzeitig erkannten und ausweichen konnten.
Die Treppe führte in mehrere Folterkammern. Grauenerregende Werkzeuge waren hier ausgestellt, und Zeichnungen zeigten, wie sie einst zur Anwendung gekommen waren.
»Was Menschen auf dieser Welt schon gelitten haben«, sagte Vladek kopfschüttelnd. »Es ist erschütternd.«
Wir ließen die Folterkammern hinter uns, gelangten in ein feuchtkaltes leeres Gewölbe, suchten nach Spuren, die uns zu Graf Lazars Versteck führten.
Unheimlich hallten unsere Schritte durch die Stille. Unwillkürlich fiel mir die Abteiruine vor London ein, in deren unterirdischem Gewölbe sich ein Höllenschlund geöffnet hatte. [2]
Wir wußten nicht, wie wir ihn schließen sollten. Damit er keinem Menschen zum Verhängnis werden konnte, ließ Tucker Peckinpah die Zugänge vergittern und mit Panzertüren abschotten.
Außerdem bewàchten ausgesuchte Männer die Abtei, so daß nach menschlichem Ermessen nichts passieren konnte. Aber das war natürlich keine Dauerlösung.
Wir mußten irgendeine Möglichkeit finden, den Schlund zu zwingen, sich zusammenzuziehen. Die zündende Idee war bisher aber noch keinem von uns gekommen.
Das bedeutete, daß der Höllenschlund eine latente Gefahr für London darstellte.
Er hatte bereits einmal einen verhältnismäßig harmlosen Teufel ausgespuckt, der mir Loxagons Bedingungen übermitteln sollte. [3]
Beim nächstenmal konnte dem Schlund aber ein gefährlicher Feind entsteigen, deshalb wäre es wichtig gewesen, diese Bedrohung ein für allemal aus der Welt zu schaffen.
Irgendwie erinnerte mich dieses Gewölbe an die verfallene Abtei.
Vladek führte mich in eine kleine Gruft. »Ein paar von den einstigen Schloßbesitzern wurden hier beigesetzt«, sagte er.
»Und wo hat man die anderen zur letzten Ruhe gebettet?«
»Es gibt noch eine zweite Gruft. Sie ist auch nicht viel größer als diese«, erklärte Vladek.
»Und Graf Lazar?«
»Vielleicht befindet sich sein Versteck irgendwo hinter diesen Mauern. Ich bin fast sicher, daß man nur durch eine Geheimtür zu ihm gelangt.«
Wir klopften die Wände nach Hohlräumen ab - in der Gruft und auch draußen. Wir gingen sehr gewissenhaft vor, denn es hatte keinen Sinn, schnell zu sein und dabei etwas zu übersehen.
Vladek betrat einen breiten Gang. Er schritt links an der Wand entlang, ich rechts. Wir klopften, als wären wir hier unten eingeschlossen und suchten nach einem Weg ins Freie.
»Tony!« stieß mein Freund plötzlich aufgeregt hervor.
Mit drei schnellen Schritten war ich bei ihm.
Er schlug mit dem Kolben seiner Mauser-Pistole noch einmal gegen die Wand.
Es klang hohl!
»Vielleicht sind wir hier richtig«, sagte Vladek Rodensky aufgeregt.
Wir grenzten das hohle Feld ein. Es war etwa 50 Zentimeter breit und 150 Zentimeter hoch. Ein zugemauerter Durchgang? Wir machten uns sofort an die Arbeit.
Wir besaßen beide ein Taschenmesser, und damit kratzten wir den Mörtel zwischen den Natursteinen heraus. Es dauerte nicht lange, bis der erste Stein wackelte, und wenig später ließ er sich herausheben.
Ich ließ ihn achtlos neben mir auf den Boden fallen. Vladeks Stein landete ebenfalls auf dem Boden. Wir machten weiter. Je mehr Steine wir entfernten, desto leichter ließen sich die nächsten herausnehmen.
Bald hatten wir ein großes, dunkles Loch vor uns.
»Leih mir die mal«, verlangte Vladek und nahm mir die Kugelschreiberlampe aus der Hand.
Er beugte sich in das Loch. Gleich darauf zuckte er zurück, als wäre ihm etwas ins Gesicht gesprungen.
Ich nahm die Lampe wieder an mich und beugte mich ebenfalls in die Öffnung, um zu sehen, was Vladek erschreckt hatte. Der dünne Lichtstrahl fiel auf ein bleiches, grinsendes Knochengesicht, das mich mit leeren Augenhöhlen anstarrte.
Ich sah ein zusammengesunkenes Skelett.
Als ich von der Öffnung zurücktrat, sagte Vladek Rodensky: »Soll ich dir verraten, was ich denke?«
»Du witterst ein Verbrechen.«
»Genau. Man hat diesen Menschen ermordet und verschwinden lassen, indem man seine Leiche einmauerte. Vielleicht war es eine Frau - die Geliebte eines der
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