1292 - Die Blutbrücke
Toten gegeben.«
»Unsinn, Heiko.«
»Warum nicht? Ich habe die Brücke erlebt. Ich bin ihr soeben noch entkommen und…«
»Wir werden abwarten.« Harry fuhr noch langsamer, denn jetzt waren sie nahe genug herangekommen, um zu sehen, dass die Zufahrt zur Brücke nicht leer war.
Dort hatten sich einige junge Leute versammelt. Sie waren damit beschäftigt, etwas aus ihren Fahrzeugen zu laden und auf die Straße zu stellen. Es waren viereckige Gegenstände, und als Harry für einen Moment das Fernlicht einschaltete und die Umgebung überflutete, bekam er mit, dass es sich um Bierkästen handelte.
»Das gibt's doch nicht«, flüsterte er. »Die wollen hier eine Party machen.«
»Klar, eine Halloween-Fete.« Heiko fuhr über sein Haar. »Die werden sogar eine Genehmigung bekommen haben, um hier feiern zu können.«
»Und sie werden auf die Brücke gehen.«
»So sieht es aus.«
»Das geht nicht gut«, flüsterte Heiko. »Da werden sie sich noch wundern. Glauben Sie mir.«
Harry gab keinen Kommentar mehr ab. Stattdessen fuhr er rechts heran und ließ den Wagen ausrollen. Er löste seinen Gurt und hörte Heiko fragen: »Was wollen Sie denn bei denen? Mitfeiern?«
»Zur Not auch. Außerdem dürfen Sie nicht vergessen, dass ich hier noch einen Freund aus London erwarte.«
»Diesen Sinclair? Ha, den können Sie sich abschminken. Da gibt es in England sicherlich härtere Feten.«
»Das glaube ich mal nicht so unbesehen«, erklärte Harry Stahl. Er stieg noch nicht aus, sondern versuchte, John über sein Handy zu erreichen, was nicht klappte. Ziemlich enttäuscht steckte er das flache Gerät wieder weg. »Wollen Sie im Wagen bleiben, Heiko?«
»Nein. Mitgefangen, mitgehangen. Ich bin natürlich voll dabei, wenn es losgeht.«
»Okay, schauen wir uns die Dinge mal aus der Nähe an. Und eine richtige Halloween-Fete habe ich auch noch nicht mitgemacht.«
»Ich auch nicht«, flüsterte Heiko. Vom Hals her rann eine Gänsehaut über seinen Rücken. Kein gutes Vorzeichen…
***
Ja, sie war nicht mehr da!
Ich merkte das Kratzen in meinem Hals. Auch das starke Herzklopfen, das mich überkommen hatte.
Ich wusste wirklich nicht, wie ich mich verhalten sollte und kam mir wie an der Nase herumgeführt vor.
Ich stand allein in einer Welt oder Dimension, die für mich noch nicht begreifbar war.
Allmählich drehten sich meine Gedanken wieder. Ich konnte überlegen, ich wollte hier so etwas wie ein Motiv finden, weil eben nichts ohne Grund passiert.
Auch weiterhin sah ich nichts von Justine Cavallo. Das wunderte mich. Es war einfach nicht ihre Art, aufzutauchen und wieder zu verschwinden, ohne dass sie etwas unternommen hatte.
Der Nebel hatte sich gehalten. Nur war er lichter geworden, und er produzierte auch keine Monster mehr. Ich stand als einzelne Person darin, und ich hörte auch keine Stimmen oder Reaktionen aus dem Dunst hervor.
In meiner Nähe drohte keine Gefahr. Niemand erschien aus dem grauen Dunst. Er hatte alles verschluckt, und ich stellte mir erneut die Frage, ob ich in einem Teil der Vampirwelt gelandet war, die sich von der anderen gelöst hatte.
Sie war schließlich das Reich der Justine Cavallo. Dort fühlte sie sich mit ihrem Herrn und Meister Dracula II wohl, doch die Sphäre sah anders aus.
Aber sie mischte mit. Da fielen mir automatisch die beiden Blutsauger ein, die sich in Casey Jordans Wohnung aufgehalten hatten, um dort Spuren zu verwischen. Für mich stand fest, dass die beiden von Justine Cavallo geschickt worden waren.
Was war ich?
Wenn ich mich als Opfer ansah, dann konnte Justine nur der Lockvogel sein, dem ich in die Falle gegangen war. Diese verdammte Brücke, auf der ich möglicherweise noch stand, aber dimensionsversetzt, war etwas Besonderes. Ich konnte es auch anders ausdrücken. Sie war ein Hort der Schwarzen Magie und unheimlicher Kräfte, die es geschafft hatten, sich hier auszubreiten. Das möglicherweise schon seit Jahrhunderten, sonst hätte man der Brücke nicht diesen Namen gegeben.
Keine Monster mehr. Keine Gestalten, die mich angriffen. Auch keine Wärme auf meiner Brust, denn das Kreuz reagierte nicht mehr. Es musste neutralisiert worden sein, und dass mir dieser Gedanke nicht gefallen konnte, lag auf der Hand.
Ich war den Weg nach vorn zu diesem neuen Ziel gegangen und wollte ihn auch wieder zurückgehen.
Umdrehen, dann loslaufen und schließlich wieder auf der Brücke landen?
Das wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. Irgendwo musste sich der Haken
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