1295 - Feuerfluch
Sie genau?«, fragte Ann.
»Wo genau in Kent sind Sie gewesen?«
»Südlich von Maidstone. Es gibt dort eine Ruine, die Bayham Castle heißt. Sie haben wir besucht. Dort verbrachten wir den Tag und die Nacht.«
»In der Burg?«
»Nein und ja. Es ist mehr eine Ruine, die ziemlich einsam liegt. Da ist man schon sehr auf sich allein gestellt. Die Errungenschaften der Zivilisation können Sie vergessen. Das Einzige, was es dort gibt, ist Wasser. Wir haben alles mitgenommen und uns einen entsprechenden Wagen gemietet.«
»Wie heißt der nächste Ort?«
»Es gibt mehrere kleine Dörfer in der Nähe.« Sie nannte uns einige Namen, mit denen wir nichts anfangen konnten. »Sie liegen alle in einem Umkreis von zwei bis fünf Meilen. Aber Bayham Castle ist überall in der Umgebung bekannt.«
»Hat es eine Geschichte?«
Ann überlegte. »Ja, wenn Sie schon so fragen, muss ich zustimmen. Es gab oder gibt eine Geschichte. Wie ich hörte, ist Bayham Castle mal ein Kloster gewesen. Sie wissen ja selbst, wie die Geschichte so läuft. Es gab viele Kriege und Kämpfe, und irgendwann ist das Kloster dann wohl zwischen die Fronten geraten. Es wurde überfallen und brannte teilweise ab.«
»Also wieder Feuer«, sagte Suko.
»Ja, das stimmt. Glauben Sie an einen Zusammenhang?«
»Ich schließe nichts aus.«
Ann Moore kam wieder auf das für sie interessante Thema zu sprechen. »Und wie geht es jetzt weiter?«, flüsterte sie.
»Wir werden das Kloster oder die Ruine besuchen«, erwiderte ich.
»Das meine ich nicht. Ich denke an uns. Wir sind ja alle gemeinsam dort gewesen.«
Sie erwarteten eine Antwort von uns. Ihre Blicke richteten sich auf uns. Es lag schon fast so etwas wie ein Flehen in ihren Augen. Und bestimmt wollten sie keine grausame Wahrheit hören, obwohl sicherlich jeder damit rechnete, dass ihnen das gleiche Schicksal widerfuhr wie den beiden Männern.
Suko und ich waren gefordert. Wir wussten beide, dass von unseren Antworten viel abhing. Deshalb ließen wir uns auch Zeit. Ein falsches Wort konnte alle Hoffnungen zerstören.
»Sag du es, John.« Da Suko etwas lächelte, war mir klar, dass er den gleichen Gedanken nachhing wie ich.
»Gut.« Ich nickte und zeigte ebenfalls ein Lächeln. »So schlimm und unerklärbar bisher die Vorgänge auch gewesen sind, glaube ich trotzdem daran, dass für Sie alle hier keine akute Gefahr besteht, so zu enden wie Poliac und Bandura. Sie alle haben geträumt. Sie haben im Traum wohl etwas gesehen, das ein Stück Vergangenheit war. Sie sahen das Feuer, sie sahen zwei Gestalten in einer Höhle oder einem Verlies, aber Sie sind nicht dorthin gelockt worden. Und genau das ist Ihre Chance. Das sage ich nicht einfach so, dazu stehe ich auch. Sie waren nicht im Zentrum. Ich vermute, dass die beiden Männer mit diesem rätselhaften Feuer in Berührung gekommen sind und den Tribut haben zahlen müssen. Das passierte bei Ihnen nicht, und deshalb glaube ich, dass Sie normal weiterleben können, auch wenn der Druck noch immer da ist. Ich hoffe, dass wir diesen verfluchten Fall aufklären können, sodass sich Ihre Angst in Grenzen halten kann. Wenn wir es geschafft haben, geben wir Ihnen Bescheid. Dann können Sie wirklich durchatmen.«
Ich war gespannt, wie meine Worte aufgenommen wurden. Zunächst mal sagte man nichts. Die fünf Mitarbeiter der Firma staunten nur und schwiegen. Sie hatten sich eine Sprecherin ausgesucht, und das war Ann Moore. Die schauten sie an.
Das Lächeln auf dem Gesicht der Frau wirkte plötzlich erleichtert. »Ja«, sagte sie mit leiser Stimme.
»Ja, ich denke schon, dass Mr. Sinclair Recht hat. Ich glaube daran. Es ist wirklich so, dass wir nur geträumt haben, ganz im Gegensatz zu Serge und Marc. Wir können uns sicher darauf verlassen. Man wird uns nichts tun. Man wird uns nicht holen. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen.«
»Danke.«
Ann winkte ab. »Ich habe nur nachgedacht, obwohl es nicht einfach war, weil ich es nicht begreifen kann. Was hier geschah, ist mir einfach zu fremd, wenn Sie verstehen. Mit einem derartigen Vorgang bin ich bisher noch nicht in Berührung gekommen. Das ist alles so anders, so schrill und auch unglaublich.«
»Kein Widerspruch«, sagte Suko.
Ann hob die Schultern. »Ich frage mich nur, wie Sie es möglich machen, sich darum zu kümmern. Sie sind doch Polizisten, Sie beide. Und ich denke, dass man als ein solcher andere Aufgaben hat.«
»Nicht wir«, sagte Suko.
Die Frau glaubte es ihm. Dann meinte sie: »Ich muss
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