1296 - Intrigen zwischen den Sternen
nur Stille.
„Warte!" bat sie die Virenschaukel.
Sie sah sich um.
Seitlich von ihr ragten vereiste Felswände in die Höhe. Über den weißen Zinnen blinkte das Licht der Morgensonne. Etwas Besonderes oder gar Auffälliges entdeckte sie nicht.
Sie schloß eine Medo-Sonde an ihrem Kopf an und prüfte die Ströme ihres Bewußtseins. Sie führte die Prozedur, die nicht ganz schmerzfrei war, zweimal durch, aber sie konnte nur Normalwerte auf den Anzeigen ablesen.
Flieg weiter!
Da war die Stimme wieder. Als sie aufklang, hüpften die Anzeigen der Sondenmessung für Sekunden wild hin und her. Sie beruhigten sich aber sofort, als die Stimme schwieg.
War das eine Beeinflussung von draußen? Oder spielte sie selbst fragmentarisch verrückt?
Es gab keine eindeutige Antwort auf diese wichtige Frage, aber ihre Logik sagte ihr, daß es draußen nichts gab, was diese Worte erzeugen konnte.
Es geschieht etwas Ungeheuerliches. Das Ungeheuerliche könnte unsere Rettung bedeuten. Du mußt schnell handeln.
‚Unsere’ Rettung? Unsere?
Bedeutete das nicht, daß da noch jemand war?
„Comanzatara?" fragte sie laut.
Keine Antwort.
„Was soll ich tun?" bohrte sie weiter.
Die Virenschaukel, deren Eigenintelligenz sehr gering war, fühlte sich angesprochen.
„Dein Problem ist nicht erkennbar", sagte das Schiffchen.
„Schweig bitte." Jizi fühlte, daß sich Schweißperlen auf ihrer Stirn bildeten. Sie entfernte die Anschlüsse der Medo-Sonde. Sofort fühlte sie sich wohler.
Flieg weiter! Die fremde Stimme wurde schriller und drängender. Es ist unsere letzte Chance.
Sie wartete noch ein paar Sekunden, in denen sie versuchte, sich über ihr eigenes Befinden klarzuwerden. Das gelang wieder nicht, aber allmählich rang sie sich zu einem Entschluß durch. Sie hatte ja nichts zu verlieren! Warum sollte sie diesem Drängen nicht nachgeben?
Jizi Huzzel wies ihre Virenschaukel an, den Weg in der alten Richtung fortzusetzen. Das Schiffchen gehorchte widerspruchslos. Erneut mußte es in die Höhe steigen, denn die eisigen Felswände drängten sich immer weiter zusammen.
Mehr links!
„Weiter nach links", wiederholte die Siganesin.
Ein breiter Gletscher tauchte unter ihr auf. Das Licht der Sonne brach sich in allen Farben des Regenbogens im blanken Eis.
Ich sehe dich!
Jizi entdeckte einen winzigen dunklen Fleck auf dem Gletscher. Sie lenkte ihre Virenschaukel darauf zu. In einem Umkreis von etwa fünf Metern war das Eis hier graubraun. Und in der Mitte dieser Fläche rankte sich ein dürres, etwa einen Meter großes Gebilde in die Höhe.
Der Siganesin stockte der Atem.
Es gab keinen Zweifel. Das war Comanzatara! Aber wie sehr hatte sich die wunderbare Pflanze verändert!
Auch sie war graubraun, aber auch ein gutes Stück größer als früher. Sie wirkte welk, krank und erfroren.
Von den ehemals leuchtenden Farben war nichts mehr zu sehen. Der Kopf hing schlaff zur Seite. Die dunkelgrünen und lederartigen vier Blätter waren ausgefranst, von eisigen Stürmen zerfetzt und kaum noch zu erkennen.
„Ich muß hinaus", rief die Biologin aufgeregt. „Ich brauche, einen Schutz gegen die Kälte."
„Ich erzeuge ein kleines Schirmfeld", bot die Virenschaukel an. „Ich fülle den Raum mit warmer Luft."
Jizi wartete, bis das geschehen war. Dann klappte sie einen Teil des Verdecks hoch und kletterte nach draußen. Nur mühsam kam sie auf dem glatten Eis in die Nähe Comanzataras.
„Hörst du mich?" fragte sie und hielt das Parlafon, das die halbtelepathischen Worte der Fraupflanze verstärkte und somit hörbar machen konnte, auf das verdorrte Geschöpf zu.
„Ich höre dich, Jizi", antwortete Comanzatara sofort. „Ich danke dir für dein Kommen. Es war nicht einfach, dich dazu zu bewegen, aber nun bist du da. Und die Zeit reicht noch aus."
„Warum hast du das getan, Comanzatara?" platzte es aus der Frau heraus. „Warum bist du gegangen? Was suchst du hier in dieser tödlichen Kälte? Wie kann ich dir helfen? Du paßt nicht in die Virenschaukel. Ich weiß nicht, was ich tun soll."
„Ich habe mich regeneriert", antwortete das verdorrte Geschöpf kaum hörbar.
„Regeneriert?" Jizi stöhnte auf. „Ein Blinder sieht, daß du kurz vor dem Ende stehst."
„Jedes Ende ist ein Neubeginn", orakelte Comanzatara. „Beschränke deine Gedanken auf das, was du verstehen kannst. Ich bin zu anders."
„Warum bist du anders?"
„Vielleicht bin ich nicht von dieser Welt, in der alles anders ist, als ich es gewohnt bin.
Ich weiß
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