1296 - Wenn der Albtraum kommt
Ich bekomme schon, was ich brauche. Ich hole es mir, wenn du verstehst.«
»Klar, das verstehe ich.« Corinna Scott trank einen kleinen Schluck Whisky und rückte noch näher an ihren Gast heran. »Sag ehrlich, Theo. Wen oder was holst du dir? Eine Frau? Oder ist es ein Mann?«
Er schaute sie länger an. Theo sah, dass sie nach einer Antwort lechzte. »Beides«, flüsterte er gegen ihr Gesicht, und sie ahnte nicht, wie er das meinte.
»He!«, jubelte sie, »du bist bi?«
»Wenn du so willst.«
»Ist ja stark«, flüsterte sie, »das habe ich mir fast gedacht. Du bist bi. Mann und Frau, wie?«
»Ja, das stimmt.«
»Und heute?«
Er hob die Schultern. »Sollte ich eigentlich auf eine Frau stehen, Corinna. Du machst es mir nicht eben schwer. Sei ehrlich. Du möchtest mich im Bett haben - oder?«
Über die direkte Frage war sie zwar überrascht, aber nicht düpiert. »Ja, ja«, gab sie zu. »Das hatte ich mir vorgestellt. Warum auch nicht? Wir sind erwachsene Menschen. Wir sind beide einsam. Niemand stört uns. Was der Mensch braucht, das braucht er. So habe ich immer gelebt. Du als Künstler wirst es doch verstehen können, denke ich.«
»Das verstehe ich.«
Sie strahlte ihn an. Er roch ihren nach Whisky riechenden Atem. »Was hindert uns dann noch? Wir brauchen nicht mal ins Schlafzimmer zu gehen. Diese Couch ist wunderbar weich und auch breit genug. Wir können uns hier stundenlang vergnügen.« Sie begann sein Gesicht zu streicheln und ließ ihre Hände auch über seinen Hals gleiten, bis hin zu den Knöpfen des weißen Hemdes, das er unter der offenen Samtjacke trug.
Theos Antwort zerstörte einen Teil ihrer Illusionen. »Ich habe noch etwas vor, Corinna.«
Die Hände zuckten zurück. »Was denn?«
Er blickte in ihr enttäuschtes Gesicht. »Ich muss noch mal weg.«
»In dieser Nacht? Oder an diesem Abend?«
»Leider.«
»Steckt eine andere Frau dahinter? Oder ein anderer Mann?«
»Nein. Nicht, was du denkst. Aber ich kann es nicht aufschieben. Es ist«, er zuckte mit den Schultern, »nun ja, ist irgendwo beruflich. Ich bin mit einem Kunden verabredet. Wir wollen uns in London treffen. Und gute Geschäfte darf man nicht sausen lassen. Schließlich muss ich von irgendetwas leben.«
»Aber doch nicht in der Nacht, wo…«
»Ich habe keine Geschäftszeiten, Corinna. Tut mir Leid, aber das ist nun mal so.«
Corinna Scott fühlte sich, als hätte man ihr kaltes Wasser über Kopf und Körper gegossen. Der Zauber des Augenblicks war verflogen. Die Wirklichkeit hatte sie zurück, und die kam ihr so verdammt brutal vor. Sie hatte Mühe, normal sitzen zu bleiben. In ihrem Innern zitterte es.
»Ich kann dich nicht überreden, Theo?«
Es war ein letzter Versuch gewesen, und sie musste erleben, wie der jüngere Mann den Kopf schüttelte. »Nein, das kannst du nicht. Aber ich kann dich trösten. Es gibt noch ein zweites oder ein drittes Mal. Ich verspreche dir, dass wir uns noch treffen werden.«
Der geschminkte Mund verzog sich und damit auch das gesamte Gesicht der Frau. »Es ist der übliche Trost. All die kleinen Ausreden. Ich glaube nicht, dass sich der Zauber dieses Abends so wiederholen lässt. Alles andere wäre zu gestellt.«
Theo war anderer Meinung. »Das solltest du nicht so sagen«, flüsterte er und fing seinerseits an, sie zu streicheln. »Wir werden noch zusammenkommen, glaube mir. Und dann wirst du etwas erleben, was du dir in deinen kühnsten Träumen nicht hättest ausmalen können. Du wirst die Wucht der Liebe erleben und dazu den Schmerz. Wonne und Hölle zugleich, das verspreche ich dir.«
Corinna hatte zugehört, gab keinen Kommentar und schaute sich die Hände an, die sich mit ihrem Körper beschäftigten und ihre Brüste umrundeten. Sie fassten nicht zu, so sehr sie es sich auch wünschte, diese weichen Finger wussten genau, was sie wollten. Sie machten sie scharf, und sie stöhnte auf.
»Lass es, Junge, lass es…«
»Warum?«
Corinna rutschte unruhig auf der Couch hin und her. »Weil ich zu geil werde.«
»Das wolltest du doch - oder?«
»Ja, ja«, schnappte sie. »Aber mit einem für mich befriedigendem Ende. Verstehst du?«
»Freu dich darauf.«
Sie warf den Kopf zurück. Der dünne Pullover spannte sich noch mehr über den Brüsten. Darunter malten sich die Spitzen hart wie große Kirschen ab. Die Frau hätte sich am liebsten die Kleider vom Leib gerissen, so stark brannte das Feuer in ihr.
Theo zog seine Hände zurück. Fast verächtlich schaute er die Frau an. »Ich
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