1296 - Wenn der Albtraum kommt
anstellen?«, fragte sie sofort.
»Indem wir Sie in Sicherheit bringen. Glauben Sie mir, wir haben da unsere Möglichkeiten. Ich denke, Sie sollten einige wichtige Dinge zusammenpacken, dann fahren wir.«
»Wohin?«
»Sie können sogar wählen. Eine Schutzhaft schlage ich vor, aber es gibt auch kleine Pensionen außerhalb von London, in denen wir Sie unterbringen können. Das überlasse ich Ihnen.«
Mrs. Scott schaute uns an und verzog den Mund. »Schutzhaft«, resümierte sie, »das hört sich verdammt nach Gefängnis an. Nach Gittern vor den Fenstern und so.«
»Ja, das kann passieren.«
»So etwas will ich aber nicht.«
»Sie müssen es auch nicht«, sagte ich. »Die Pensionen…«
»Gut. Sie haben mich überzeugt. Ich… ich… werde die nächsten Tage in einer Pension verbringen.«
»Das ist eine gute Entscheidung.«
Über meine Antwort musste sie wieder kehlig lachen. »Aber sind Sie wirklich davon überzeugt, dass ich dort hundertprozentig sicher bin?«
Ich war ehrlich. »Nein, Mrs. Scott. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht im Leben. Das beziehe ich nicht auf Sie persönlich. Ich möchte Sie nur an die schrecklichen Terroranschläge erinnern, die in der letzten Zeit passiert sind.«
»Klar, das sehe ich ein, obwohl ich noch immer nicht begreifen kann, dass mich mein Nachbar umbringen will.«
»Auch wir haben bisher keine Erklärung dafür gefunden«, erklärte ich. »Das ist nun mal so.«
Corinna Scott schaute ins Leere, drückte aber ihre Hände auf die Tischplatte und stand auf. »Dann werde ich mal gehen und einige Dinge zusammenpacken«, sagte sie leise.
Das Telefon lag noch auf dem Tisch. Genau in diesem Augenblick schlug es an. Eine schrille Tonfolge erreichte unsere Ohren. Besonders erschrak die Frau. Sie fiel wieder zurück auf ihren Sitz und wusste nicht, was sie tun sollte.
»Bitte, melden Sie sich!«, forderte ich sie auf.
Corinna schüttelte den Kopf. »Ich… ich… kann nicht, Mr. Sinclair. Das ist so…«
»Wir sind bei Ihnen«, sagte Suko mit ruhiger Stimme. »Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.«
Der Satz reichte aus, um Mrs. Scott zu überzeugen. Sie griff zum Telefon, und wir hörten sie laut atmen, bevor sie eine Taste drückte, das Gerät ans Ohr hielt und sich meldete. Dabei hauchte sie ein leises »Ja« in den Hörer.
Mehr passierte nicht, denn sie hörte nur zu. Wir beobachteten sie und sahen, wie ihr Gesicht zuckte.
Plötzlich brach ihr Schweiß aus, und sofort war uns klar, dass keine Freundin angerufen hatte, um zu erfahren wie es ihr ging.
»Ja«, sagte sie, »ja, ich… ich… weiß, dass er hier ist. Ich gebe dir John Sinclair…« Ich schaute auf.
Über den Tisch hinweg wurde mir das Telefon gereicht. »Für Sie, Mr. Sinclair.«
»Danke.«
»Ja, wer ist dort?«
Zuerst hörte ich ein Lachen, das ziemlich künstlich klang. Dann erfuhr ich die Antwort. »Dein Albtraum, Freund…«
Seinen Namen brauchte er nicht zu sagen, ich wusste auch so, wen ich am Apparat hatte.
»Hallo, Theo«, sagte ich und bemerkte aus dem Augenwinkel, dass Suko zusammenzuckte.
»Ja, ich. Sehr gut geraten.«
»Das war nicht schwer.«
»Du bist ein Bulle, wie?«
»Manche nennen mich in der Tat so.«
»Und der Alte war auch ein Bulle.«
»Nein, nicht mehr.«
Wieder hörte ich sein Lachen. »Ich hätte euch beide zur Hölle schicken sollen, verdammt. Aber sei's wie es sei. Ich habe es nicht getan. Es war auch nicht die richtige Zeit. Aber sie wird noch kommen, das schwöre ich dir. Ich bin auch dein Albtraum, Sinclair. Ich bin jemand, der die Wohnstätten der Hölle kennt. Sieben sind für die Gottlosen bestimmt, sieben Wohnstätten.«
»Tatsächlich?«
»Ja, so erzählen es sich die Sagen der Juden.«
»Ich kenne sie nicht.«
»Du wirst gleich schlauer sein, mein Freund.« Er lachte wieder und hatte seinen Spaß. »Das Reich der Finsternis, das Reich des Untergangs, das Schattenreich, die Unterwelt, das Land der Vergessenheit, die Hölle, das Reich des Schweigens. Verstanden?«
»Ich bin nicht taub.«
»Sehr gut. Dann hör weiter zu. Das Reich des Schweigens ist der Vorhof des Todes. Warum aber heißt das Land Vorhof des Todes? Weil es ein Hof ist, in dem sich die Seelen der Menschenkinder aufhalten, und dieser Hof ist hungrig, sehr hungrig sogar. Er braucht immer wieder Nachschub, und den wird er bekommen.«
»Durch dich, wie?«
»Ja, genau.« Er amüsierte sich. »He, du hast ja sehr vertraut mit mir gesprochen. Deinen Namen kenne ich nicht. Sag
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