1296 - Wenn der Albtraum kommt
Ich erzähle ihnen nichts, aber sie sehen mir an, dass etwas nicht stimmt und diese Welt nicht so rund ist wie sie gern gemacht wird. Wir haben bald Weihnachten. Wäre ich Zyniker, dann würde ich von einer schönen Bescherung sprechen, aber das verkneife ich mir lieber und mache weiter.«
»Ich kann Sie verstehen. Trotz allem sollten wir nicht die Menschlichkeit vergessen, die es auch noch gibt.«
»Stimmt.«
»Wann werden Sie hier fertig sein?«
Bradbury winkte ab. »Ich denke, dass wir noch einige Stunden zu tun haben. Wir suchen ja auch im Haus nach Spuren. Mal sehen, was da noch alles herauskommt.«
»Mein Kollege und ich werden fahren. Wir brauchen nur einen Wagen, da wir eine Zeugin in Sicherheit bringen wollen. Könnte einer Ihrer Leute meinen Rover später zum Yard fahren«
»Das wird kein Problem sein.«
Ich übergab ihm den Autoschlüssel und erklärte, wo mein Rover zu finden war. Als Bradbury die Hand um den Schlüssel schloss, fragte er: »Sie fürchten um die Zeugin?«
»Leider. Ihr Leben ist in Gefahr. Der Killer hat sich telefonisch gemeldet.«
Bradbury sah mich überrascht an. »Und?«
Ich zuckte die Achseln. »Er hat auch mit mir gesprochen. Ich nehme an, dass er von einer Telefonzelle aus gesprochen hat. Dieser Mann ist mit allen Wassern gewaschen.«
»Wir werden trotzdem nach ihm fahnden müssen. Er sieht nicht eben aus wie ein Allerweltstyp. Wir haben Bilder von ihm gefunden. Nahaufnahmen. Mit Posen, über die wir nur den Kopf schütteln können. Irgendwie ist er ein Narzisst. Eingebildet. Ichbezogen, und für ihn sind andere Menschen nicht mehr als Dreck.«
»Leider.«
Sam Bradbury wusste, dass Suko und ich Theo Gain jagen würden. Er wünschte mir noch viel Glück, dann trat er wieder ins Licht und zu seinen Leuten hin, die den Boden aufwühlten.
Ich kehrte zurück zu Corinna Scott. Ich fand sie in der Küche neben ihrer prall gefüllten Reisetasche.
Sie schaute sich dabei mit einem Blick um, als wollte sie für immer Abschied nehmen. Ihre Lippen zitterten. Tränen rannen über die Wangen.
Ich versuchte es mit tröstenden Worten. »Bitte, Mrs. Scott, wir schaffen es. Sie werden auch wieder ein normales Leben führen können, vertrauen Sie mir.«
»Wie soll das normale Leben denn aussehen? Ich müsste immer daran denken, was in meinem Haus passiert ist. Würde es Ihnen gefallen, dort zu wohnen, wo jemand getötet wurde und es sich ein eiskalter Killer auf der Couch bequem gemacht hat?«
»Nein, das würde es nicht. Da bin ich ehrlich.«
Suko hatte meine Stimme gehört. Er kam zu uns. Die Kollegen der Spurensicherung verließen das Haus und verabschiedeten sich noch kurz von uns. Sie würden ihren Job ein Haus weiter fortführen.
Suko schaute mich an. »Alles klar?«
»Ja, wir nehmen deinen Wagen.«
»Okay.«
Ich räusperte mich. »Man findet auf dem Nachbargrundstück immer mehr Leichen. Ich kann mir vorstellen, dass es die Überreste von mehr als fünf Toten sind.«
Suko schloss für einen Moment die Augen. »Er versorgt den Vorhof des Todes, und keiner von uns weiß, wie lange er schon damit beschäftigt ist. Die Kollegen werden unter Umständen noch ihr blaues Wunder erleben.«
»Mehr ein grausames.« Ich wandte mich an Corinna Scott. »Sind Sie bereit?«
»Ja, meinetwegen können wir fahren.«
»Und wohin?«, fragte ich Suko.
»Es stehen zwei Pensionen zur Auswahl. Ich habe mich für die entschieden, die in der Nähe von Croydon liegt.«
»Gut, das ist recht weit vom Schuss und trotzdem nahe.«
Corinna hatte unsere Unterhaltung gehört. »Wenn er will, findet er mich überall.«
»Vergessen Sie nicht«, sagte ich, »dass er auch uns jagen will. Ich denke, dass er sich zunächst diejenigen aussucht, die ihm gefährlich werden können.«
»Sind Sie das denn?«
»Bestimmt.«
Mrs. Scott zog ein zweifelndes Gesicht. »Da haben Sie sich aber viel vorgenommen.«
»Es gehört zu unserem Job.«
Sie zog die dicke Daunenjacke vor der Brust zusammen, als wir das Haus verließen. Es sprach niemand von uns. Wir alle hingen unseren Gedanken nach, und ich dachte daran, dass die Nacht für uns noch nicht beendet war. Einer wie Theo Gain sann immer auf Rache…
***
In Sukos BMW roch es leicht nach Leder. Der Geruch hatte sich immer gehalten. Obwohl der Wagen bereits einige Jahre alt war, sah er aus wie neu. Suko liebte ihn, so wie damals seine Harley Davidson, die irgendwo in der Hexenwelt verschwunden war.
Mein Freund fuhr, ich nahm auf dem Beifahrersitz Platz, und
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