1296 - Wenn der Albtraum kommt
Corinna Scott saß hinter uns. Die Reisetasche hatte sie neben sich gestellt und eng an sich gedrückt, als brauchte sie etwas, woran sie sich festhalten konnte.
Ich war noch immer nicht davon überzeugt, dass wir das Richtige taten. Sie in der Pension allein zu lassen, war mit einem großen Risiko verbunden, aber sie hatte sich dieses Versteck ausgesucht, und wir konnten nichts gegen ihren Willen unternehmen.
Suko hatte sich in seinen Wagen nachträglich eine Tussi einbauen lassen. Ich hatte das Satellitenleitsystem so genannt. Auf dem Display erschien eine Karte von der Umgebung, und Suko stellte die richtigen Daten ein. So würden wir sicher bis ans Ziel geführt werden. So eine Tussi wünschte ich mir auch im Rover, aber die Finanzen sahen nicht gut aus. Auch beim Yard wurde gespart. Die Uhr zeigte die zehnte Tagesstunde an, als wir losfuhren.
»Weiß man in der Pension denn Bescheid?«, fragte ich.
»Ja, ich habe mit der Besitzerin gesprochen«, erklärte Suko. »Sie ist froh, wieder einen Gast zu haben. Sie werden sich bei ihr wohl fühlen. Es ist eine sehr verständnisvolle Frau, deren Söhne bei der Polizei arbeiten.«
»Ich weiß trotzdem nicht, ob es richtig ist.«
Auf dem Beifahrersitz drehte ich mich und schaute zurück. »Sie können sich noch anders entscheiden, Mrs. Scott.«
»Für die Gitter?«
»Ja, zum Beispiel.«
»Nein, nein, das mache ich nicht. Auf keinen Fall. Dann lieber die Pension.«
»Gut.«
Wir fuhren in die Dunkelheit hinein. Wir hätten über die A23 fahren können, aber die lag zu weit weg.
So entschieden wir uns für die Nebenstraßen, die an zahlreichen Orten vorbeiführten. Ich rechnete nicht mit mehr als einer halben Stunde Fahrzeit.
Ich wollte die Frau auch nicht ansprechen und wieder über ein bestimmtes Thema reden. Wenn sie etwas sagen musste, dann sollte sie von selbst damit herausrücken.
Nicht sie meldete sich, sondern ihr Handy. Es klingelte leise und schickte uns irgendeine Opernmelodie an die Ohren.
»Gott, da will jemand was von mir!«
»Lassen Sie es…«
»Nein, Mr. Sinclair. Es kann sein, dass es eine Bekannte ist, die auch noch anrufen wollte.«
»Dann melden Sie sich.«
Das tat sie mit schwacher Stimme, aber sie nannte nicht ihren Namen. Suko war mit der Geschwindigkeit herabgegangen. So hielten sich die Fahrgeräusche in Grenzen, und wir konnten sogar mithören.
Als das Lachen aufklang, war uns klar, wer der Anrufer war. Suko reagierte sofort und stoppte den BMW.
Auch Corinna Scott wusste Bescheid. Sie saß starr. Sie wollte nicht sprechen und streckte den linken Arm mit dem Handy nach vorn, damit ich es fassen konnte.
Ich sagte auch nichts, sondern hörte nur zu. Das Lachen war verklungen, dafür hörte ich ein zischendes Geräusch, als hätte jemand scharf Atem geholt. Dann erst erklang die Stimme. »He, Corinna, ich habe dich nicht vergessen, hörst du?«
Ich schwieg. Er nicht. Er wollte seine Macht beweisen, und das tat er mit den nächsten Worten. »Ich weiß genau, wo du dich herumtreibst. Du kannst mir nicht entkommen. Ich habe dich immer unter Kontrolle. Soll ich dir sagen, wo du dich jetzt befindest?«
Ich bemerkte, dass Corinna Scott etwas sagen wollte, aber ich legte schnell einen Finger auf meine Lippen. Sie verstand und blieb still.
»Du bist überrascht, wie? Du sitzt jetzt in diesem schwarzen Wagen, zitterst vor Angst und weißt nicht, was du tun sollst. Was ist richtig? Sich zu verstecken? Sich zu zeigen? Du weißt es nicht, und das macht dich fertig. Aber ich kenne dich. Ich habe dich unter Kontrolle. Es gibt keinen Ort, an dem du mir…«
Ich schaltete das Handy aus. Auf keinen Fall wollte ich mir das Gesülze anhören, und es wäre auch nicht gut für unseren Schützling gewesen. Corinna hatte sowieso schon einiges durchlitten. Mehr wollte ich ihr nicht zumuten.
Sie hatte trotzdem einiges gehört und saß unbeweglich auf ihrem Platz. Dass sie nicht reden wollte, deutete sie dadurch an, indem sie ihre Hand gegen den Mund gepresst hielt. Darüber sah ich die übergroßen Augen.
Ich schüttelte den Kopf. »Noch haben wir nur seine Drohungen gehört, die wir allerdings ernst nehmen. Es liegt jetzt an Ihnen, wie Sie sich entscheiden.«
»Er weiß ja, wo ich bin«, flüsterte sie, als ihr Mund frei lag.
»Das stimmt leider.«
»Dann wird er mich überall finden. Er ist mein Albtraum, hat er gesagt. Ich kann ihm nicht entkommen. Ich werde auch in der Pension nicht vor ihm sicher sein.«
»Da muss ich Ihnen leider Recht
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