1298 - Der Gorim von Aquamarin
Summen des Triebwerks wurde um eine Nuance lauter. Draußen waren Geräusche zu hören, als schlügen schwere Metallstücke gegeneinander. Ein Tor, dachte Bull. Er fühlte einen sanften Ruck. Sekunden später erlosch das Summen. Das Fahrzeug war gelandet.
Ein Luk öffnete sich. Grelles Licht fiel durch die Öffnung. Bull schloß für eine Sekunde die Augen. Er fühlte sich an den Beinen gepackt. Jemand zerrte ihn ins Freie. Inzwischen hatte der Cybermed mit der Therapie begonnen. Die Lähmung wich rapide. Nur ein paar Minuten noch, und Reginald Bull war wieder Herr seiner Muskeln.
Man stellte ihn auf die Füße. Fremdartige Gestalten bewegten sich in seiner Nähe - das heißt: Eine davon war ihm durchaus bekannt. Hatchertoq, der Quliman. Er trat auf ihn zu.
Das Gehen fiel ihm noch ein wenig schwer, aber der Zorn war stärker als das Schmerzen der verkrampften Muskeln.
„Irgendwann", krächzte er den Dreibeinigen an, „wird dich jemand für deine Hinterhältigkeit zur Rechenschaft ziehen."
Hatchertoq machte eine flüchtige Geste.
„Du bist unverbesserlich", sagte er. „Hab noch ein paar Minuten Geduld, dann werden dir die Zusammenhänge klar."
Mit der Antwort wußte Reginald Bull nichts anzufangen. Er war verblüfft. Was meinte der Quliman? Er hätte ihm gern ein paar Fragen gestellt, aber zwei anderthalb Meter große Geschöpfe mit halbkugeligen Körpern kamen auf ihn zu und ergriffen ihn mit langen, flexiblen Armen. Auf der oberen Rundung einer der beiden Halbkugeln, zwischen zwei langen, schwankenden Augenstielen, bildete sich eine Sprechöffnung, und eine quarrende Stimme sagte: „Komm mit uns."
Reginald Bull ließ sich führen. Der Gleiter war in einer großen, leeren Halle gelandet.
Unter der flachen Decke brannten altmodische, mit Elektrizität gespeiste Lampen. Im Hintergrund erkannte Bull die Umrisse eines hohen, metallenen Tores. Die beiden Halbkugeln führten ihn in die entgegengesetzte Richtung. Dort stand auf schmalen Schienen ein schlankes Fahrzeug, das mit drei hintereinander liegenden Sitzbänken ausgestattet war. Seitwärts der vordersten Bank war eine kleine Kontrollkonsole mit vier farbigen Schaltern montiert. Bull wurde zu der mittleren Bank geleitet. Die beiden Halbkugeln bestiegen das Fahrzeug ebenfalls, eine vor, die andere hinter ihm. Das Wesen auf der vorderen Bank betätigte zwei der bunten Schalter. Das Fahrzeug setzte sich in Bewegung und glitt auf die Rückwand der Halle zu. Dort schob sich ein Stück Mauerwerk beiseite und gab den Weg in einen finsteren Tunnel frei.
Das Fahrzeug entwickelte bedeutende Geschwindigkeit, und der Schienenpfad war voller Unebenheiten. Mehr als einmal, während das altmodische Gefährt ratternd durch die Finsternis brauste, hatte Bull das unangenehme Gefühl, es müsse bei der nächsten Kurve aus dem Gleis springen. Er überlegte, ob er den SERUN aktivieren und sich gegen seine beiden Begleiter zur Wehr setzen solle. Man hatte ihm bis jetzt nicht einmal den Paralysator abgenommen. Aber die Idee war unbrauchbar. Er mußte auf jeden Fall warten, bis der Wagen sein Ziel erreicht hatte.
Der Wagen wurde schließlich langsamer. Weit voraus tauchte ein Licht auf. Das Fahrzeug tauchte aus dem Tunnel auf und rollte in einen kleinen, hell erleuchteten Raum von rechteckigem Querschnitt. Das Gleis endete hier vor einer Art Prellbock. Seitwärts der Schiene stand eine hoch aufgerichtete Gestalt, bei deren Anblick Reginald Bull unwillkürlich der Atem stockte. Er fing an zu begreifen, daß er einen Narren aus sich gemacht hatte.
Die Gestalt war in eine bernsteinfarbene Rüstung gekleidet. Aus der Rückenfläche hingen zahlreiche, stachelartige Auswüchse schlaff herab. Ein annähernd kugelförmiger Helm krönte den Panzer. In die Vorderseite war ein gitterähnliches Geflecht eingelassen, hinter dem zwei grüne Punkte phosphoreszierend leuchteten.
Der Wagen hatte inzwischen angehalten. Die beiden tentakelbewährten Halbkugeln rührten sich nicht. Reginald Bull stand auf.
„Volcayr?" fragte er unsicher.
„Ich bin es", antwortete der Elfahder. „Und du, mein Freund, hast es uns fast unmöglich gemacht, mit dir zusammenzutreffen."
*
Der Raum war behaglich eingerichtet. Durch das große Fenster ging der Blick hinaus auf das nächtliche Lichtermeer von Kiva. Von einem Standort nahe dem Fenster konnte man erkennen, daß der Raum sich in einem der obersten Geschosse eines Gebäudes befand, das in der auf Bonfire weithin beliebten Stufenkegelbauweise
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