13 alte Esel
wollte ja, aber Hubert wollte lieber nicht, und Frau Bormann hat gesagt, wir können morgen wiederkommen, und dann gibt’s Grießsuppe und Bratkartoffeln, und sie hebt mir ein paar Birnen auf, weil es nämlich getrocknete sind, die ich noch niemals gegessen habe, und Hubert sagt...«
Es ging fröhlich immer so weiter, fast ohne Punkt und Komma und nur mit kurzen Pausen zum Atemholen, ein Wasserfall aus lauter Quietschen und hellen Tönen, in zappeliger Fröhlichkeit.
Hubert, dachte Änne böse, Hubert, Hubert. Dieser kleine Fatzke aus der Stadt nahm Hubert so sehr in Beschlag, daß er für sie keine Zeit mehr hatte. Sie kaute verdrossen auf ihrer Unterlippe herum und sah aus schrägen grünen Augen haßerfüllt auf den plappernden Eindringling. Es paßte ihr nicht mehr hier. Sie ließ sich nicht beiseite schieben. Und es wurde langweilig. Der Plan, auszureißen, nahm hinter ihrer gelben Stirn feste Formen an.
Hubert hatte zwei große Tüten auf die Anrichte gestellt und war verschwunden, um sich zu waschen. Ganz schlimm konnte es zwar nicht werden, da Ferdi Ess dabei gewesen war, doch er hatte heute noch zuviel vor, um auch nur einen Hausarrest zu riskieren. So setzte er sich nach kurzer Zeit ungewöhnlich bescheiden ans untere Tischende und verputzte mit gutem Appetit den Rest der Kaffeebrote.
Don Chaussee vermied es, seine Frau anzusehen. Seine Augen zwinkerten allzu vergnügt, wenn er an die Unterhaltung vom Morgen dachte, und er mochte doch keinen Triumph zeigen. Sie hatte es ohnehin schwer genug. Aber freuen tat es ihn doch, daß Hubert nicht nur sinnlos, sondern auch sinnvoll dickköpfig sein konnte und sich das Futter tatsächlich erarbeitet hatte. Der Bursche machte ihm zunehmend Spaß. Der war aus dem richtigen Holz geschnitzt.
»Ich habe nichts dagegen, daß ihr eure Freizeit mit nützlicher Tätigkeit verbringt«, sagte Frau Martha mürrisch, »nur möchte ich, daß ihr erstens um Erlaubnis fragt und zweitens nicht unbedingt am schmutzigsten Tag des Jahres geht. Heute jedenfalls habt ihr mehr an Anzügen verdorben, als die Arbeit wert gewesen ist .« Ferdi sah sie vorwurfsvoll an. »Das bißchen Dreck kann man wieder ‘rausmachen, oder sonst kann ich auch ‘nen neuen Anzug kaufen, aber auf schieben ging doch nicht! Wir mußten doch das Zeugs für Ephraim haben, weil er mit seinem kaputten Maul sonst nichts fressen kann. Was meinen Sie, was der ‘nen Hunger hat! Doll, sag’ ich Ihnen! Und die eine Tüte hab’ ich ganz allein verdient. Das schreib’ ich meinem Vater, der sagt immer, es ist so schwer, Geld zu verdienen. Mir macht es Spaß! Ich geh’ morgen wieder.« Damit war die Angelegenheit in seinen Augen geklärt, und er hüpfte vergnügt zu Hubert hinüber und würgte, dem Beispiel seines Vorbildes folgend, auch noch ein Brot hinunter, obwohl er schon auf dem Feld zuviel gegessen hatte. Er war wild entschlossen, genauso ein Kerl zu werden wie Hubert. Ein paar Butterbrote sollten ihm dabei nicht im Weg stehen.
Frau Marthas Widerstandskraft war erschöpft. Sie hatte keine Lust mehr. Ihr Kopf schmerzte, und bleierne Müdigkeit ergriff ihren Körper. Morgen kam die Kommission, und morgen kam Herr Ess. Morgen kam das Ende. Sie begriff nicht, wie es dazu hatte kommen können, sie wußte nur, daß nichts mehr zu ändern war. In dieser hoffnungslosen, grauen Erbärmlichkeit tat sie etwas, das sie bei sich nie für möglich gehalten, bei anderen nie geduldet hätte: Sie nahm, wiewohl nicht wirklich krank, drei Schlaftabletten auf einmal und legte sich an einem normalen Wochentag nachmittags um halb sechs zu Bett, um alle Nöte eine Nacht lang in dumpfem Schlaf zu vergessen.
Schwester Monika hätte eigentlich Uwe zu Bett bringen müssen, doch entwickelte sich gleich nach dem Fortgang der Chefin in der Küche ein so interessantes Durcheinander, daß sie ihn vorerst noch auf ihrem Arm dösen ließ. Leo holte einen leeren Marmeladeneimer aus dem Keller, und Ferdi bewaffnete sich mit einem hölzernen Rührlöffel. Hubert schüttete einen Teil der Haferkleie in den Eimer und forderte Änne auf, aus dem Kessel heißes Wasser dazuzugießen. Änne nahm den Kessel, und Hubert, der ungeduldig aufblickte, sah, wie sie ihn gerade so senkte, daß der heiße Strahl Ferdis Arm treffen mußte. Blitzschnell stieß er sie mit dem Ellenbogen beiseite, und ehe einer der anderen begriff, was vorgefallen war, schrie Änne schon wimmernd auf. Das kochende Wasser hatte mit breitem Schwall ihr eigenes Bein getroffen,
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