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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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Weshalb traf es sie dann wie ein Stoß vor die Brust? Sie legte die Hände an die pochenden Schläfen, wie um zurückzuhalten, was bei diesen Worten aus dem Unterbewußtsein aufstieg, aus der entferntesten Ecke ihres Herzens, in der sie es, von ihrem starken Willen dahin verbannt, für immer begraben wähnte: nur da sein. Sie war so alt gewesen wie Andreas, als sie erkannt hatte, daß niemand da war für sie, und es hatte geschmerzt, aber nun war es doch schon so lange her. Sie wollte nicht daran denken. Weshalb mußte Andreas es sagen? Sie hatte ihm helfen wollen; weshalb überließ er sie da der Erinnerung? Ihre Hände kamen ihr seltsam leer vor ohne die dünnen Knochen, die sie eben noch durch das Tuch des Anzugs gefühlt hatte. Er beachtete sie gar nicht; er ging auf ihren Mann zu, sah ihn an, und auf dem traurigen Kindergesicht blühte ein Lächeln auf, ein Abglanz des zuversichtlichen, landstreicherhaften Grinsens auf dem Männergesicht. Sie war allein, wie vorgestern bei Huberts Tollkühnheit mit dem Braten. Da hatte es sie erbost; jetzt tat es weh.
    Gegen das breite, stummberedte Grinsen da kam man nicht auf. Man konnte es zerschlagen, wenn jemand etwas Hartes hinein- sagte; sie hatte es ausprobiert. Es konnte verlöschen, doch es kam wieder, und jedesmal wurde es sicherer, breiter, gewisser. Oh, sie hatte es gespürt. Und sie spürte auch, wie die Kinder es nachahmten. Als sie, wieder umdüstert, ins Haus zurückeilte, kam es ihr wie ein Wall vor, der alle umschloß und nur sie draußen ließ.
    Auf der Wiese war so viel los, daß die Ankunft von Habakuk und seinem Gefolge gar nicht beachtet wurde. Aus der einen Ecke übertönte Bennekamps Stimme laut das Stimmengewirr der ihn umgebenden Vorstandsmitglieder des Tierschutzvereins. »Zu wenig, sage ich Ihnen zum letztenmal, das ist ja lächerlich, das deckt die Unkosten nicht halb! Wissen Sie, was die Sache ist? Mein Ruin! Jawohl! Dieser Müller! Bis auf den letzten Pfennig bezahlt er das ab, da kennen Sie mich aber schlecht, oha !«
    Hände klopften ihm beruhigend den Rücken, begütigende Stimmen brummten Unverständliches, aber Stationsvorsteher Bennekamp hatte nicht alle Tage Gelegenheit, einem so erlesenen städtischen Zuhörerkreis gründlich seine Meinung zu sagen, und beabsichtigte nicht, sich diesen Genuß schmälern zu lassen. Mit einem »Ah«, das aus befreiten Seelentiefen kam, stürzte er Herrn Ess entgegen und ging am mittleren Mantelknopf vor Anker. »Denken Sie — zwei !« blubberte er erregt. »Das deckt die Unkosten bei weitem nicht. Alle! Alle! Was soll ich denn sonst machen? Wie stellen Sie sich das überhaupt vor ?«
    Seine Rechte schoß fragend nach oben, Herrn Ess so dicht vor die Nase, daß er konsterniert zurücksprang und der Mantelknopf in’ der Linken des Stationsvorstehers blieb. »Um Himmels willen, worum handelt es sich denn ?«
    Im Nu war Herr Ess der Mittelpunkt des stimmenschwirrenden Kreises, und es dauerte infolge des Übereifers aller Erklärer eine Weile, ehe er herausfand, daß der Doktor nur zwei der Esel für lebensuntauglich hielt, während Bennekamp strikt forderte, daß die gesamte Herde getötet werden müsse.
    »Sie gehören zu einem Durchgangstransport von Schlachtvieh, und die Absendefirma schreibt, wir sollten sie hier töten und an den Abdecker verkaufen und davon die entstandenen Unkosten bezahlen, aber wenn sie weder getötet noch weiterbefördert werden, sind sie Einfuhrgut und müssen verzollt werden, und die Frachtkosten von der Grenze bis hier erhöhen sich entsprechend, und wenn Sie doch nur Abdeckerpreise bezahlen wollen, kommen wir nie und nimmer mit den Kosten hin und...«
    An dieser Stelle überließ Don Chaussee die streitenden Parteien sich selbst und wandte sich den übrigen Vorgängen zu. Herr Ess sah ganz so aus, als werde er mit Bahn und Zoll allein fertig.
    In der entgegengesetzten Ecke der Weide versuchte der Tierarzt vergebens, sich Ephraim zu nähern, der die Lippen hochzog und mit gespannten Muskeln sprungbereit stand. Am Draht feixten die Kinder, die soeben aus der Schule gekommen waren.
    »Der beißt !« quiekte Ferdi warnend, und der Doktor trat vorsichtshalber einen weiteren Schritt zurück. Er rief den sich erhitzenden Tierschützern zu: »Helfen Sie mir doch bitte mal eben, ja? Der Satan hier beißt. Wir müssen ihn in die Ecke drängen und ihn irgendwie von hinten zu packen kriegen, und dann müssen ihm zwei Mann den Kopf hochhalten, damit ich untersuchen kann. Er sieht zwar gesund

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