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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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Mit gefurchter Stirn versuchte sie sich vorzustellen, wie er gewesen war, wie er überhaupt war. Es gelang ihr nicht. Sie zuckte die Achseln: eben wie Andreas.
    Schmerzte bei dem Gedanken etwas? Bah, das waren die Seitenstiche vom Laufen. Sie mußte langsamer gehen, in ihrem Alter rannte man nicht mehr ungestraft. O nein, in ihrem Alter wurde man nur auf die Straße gesetzt, weil man versagt hatte auf dem Posten, für den man sich zeitlebens abgeschuftet hatte. Weil man sich nicht erinnern konnte, wie so ein Junge gestern oder vorgestern ausgesehen hatte.
    »Plop-plop-plop.« Sie preßte im Laufen die Hände vor die Ohren. »Aufhören !« schrie sie, beinahe über einen Eichenstubben stolpernd, und sah in erschreckte Gesichter.
    Ihr Mann ließ den schweren Holzhammer, mit dem er die Treppenpfosten einrammte, zu Boden sinken und war mit zwei Schritten neben ihr. »Aber Martha, Martha, was ist denn los ?« Den Arm um sie gelegt, schüttelte er sie sanft.
    Die Füße versagten ihr den Dienst; sie wäre zusammengesackt, wenn er sie nicht gehalten hätte. Ihr Kopf sank gegen seine Schulter. Ein ungekanntes Gefühl durchströmte sie, als sie den Arm um ihren Rücken fühlte. Jetzt einfach alles vergessen, einfach sagen können: »Mach du weiter, ich kann nicht mehr !« Und dann nicht mehr sich wehren müssen und nur wissen: Es wird gut. Wie das sein müßte... Sie rang nach Luft: »Andreas ist weg .«
    »Großer Gott !« sagte er, seinen Griff lockernd, und schon war der Moment des Ausruhens an seiner Schulter ausgelöscht. Sein Ausruf verriet kein Erschrecken, sondern Schuldbewußtsein, und in seinen Augen war das um Verzeihung bittende Lächeln, das sie nicht ausstehen konnte. Also doch!
    Mit einem Ruck machte sie sich frei. »Wo?« Daß sie ihn fragen mußte, diesen Landstreicher, dieses Nichts, das bei ihr untergekrochen war. »Wo — wo?« Es fehlte nicht viel, und sie hätte mit den Füßen aufgestampft.
    »Martha, so beruhige dich doch. Er ist heil und gesund. Ich hätte ihn gleich zurückgeholt. Er schlief ganz erschöpft, als ich um neun nach ihm gesehen habe; da wollte ich ihn noch ein bißchen schlafen lassen. Komm, gehen wir hin .«
    Sie schüttelte seine Hand von ihrem Arm, als sei sie Feuer. »Rühr mich nicht an !« brauste sie auf.
    Ferdi kroch rückwärts in den Eichenaufschlag. Die waren so komisch. Frau Martha sah krank aus. Erst zankten sie sich, und gleich darauf lagen sie sich in den Armen, und dann zankten sie wieder. Dabei war er gerade dabei gewesen zu lernen, wie man die Knüppel so zurechthaut, daß sie zum Geländer ineinandergefügt werden konnten. Er wollte Hubert damit überraschen und ihm zeigen, daß er sich auch für Männerarbeit eignete. Aus dem Gelenk muß man schlagen, hatte Don Chaussee gesagt, ganz locker. Die Frau sollte verschwinden, sie störte hier. Er schob die Schultern, die magere Brust vor und ging auf die Axt zu: Er fing jetzt einfach an, mochten die Großen tun, was sie wollten. Aber er kam nicht mehr dazu. »Tüt-tüt«, kurz hintereinander und nur leicht angetippt, das war Großvaters Hupe. In schlacksigen Sätzen fegte er auf die Straße zu.
    »Bei Müntes in der alten Feldscheune liegt er«, sagte Don Chaussee hastig.
    Seine Frau hörte ihn kaum. Was hatte es jetzt noch für einen Zweck? Herr Ess war da, und sie mußte ihm berichten, und sie wußte nicht, weshalb Andreas weggelaufen war. Die Gedanken, die sich mühsam darauf konzentriert hatten, seinen Aufenthalt zu erfahren, liefen nun wieder wirr durcheinander. Sie wußte nicht, was sie tun sollte; sie mußte doch wissen, weshalb ausgerechnet Andreas davongelaufen war, ohne daß sie ihm etwas getan hatte. Was sollte sie sonst zu Herrn Ess sagen?
    Beim Auto angekommen, wußte sie es immer noch nicht. Sie sah mehrere Herren aussteigen, hörte durch graue Wände die Stimme ihres Chefs: »Ich habe den ganzen Vorstand gleich mitgebracht... Tierarzt... Herrn Bennekamp von der Bahn kennen Sie ja, Polizeileutnant Lensing, Herr Alfs... Hekers... Spediteur Brüning.« Namen, Gesichter, Händeschütteln. »Gehen wir am besten zuerst zur Weide. Ganz rechts, dort am Haus vorbei. Ein Wetter ist das mal wieder! Na, machen Sie sich nur auf was gefaßt. Zehn Stück sind’s doch. Jämmerlicher Anblick, obwohl Schönheiten im Vergleich zu voriger Woche.«
    Herr Ess sprach mit der ihm eigenen ungeduldigen Liebenswürdigkeit. Er dominierte selbstverständlich auch in diesem Kreis. Mit ein paar schnellen, fast eleganten Bewegungen

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