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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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»Fügung in Gottes Willen«, als seine Frau verhungerte. Und jedesmal wandte er sich danach seinen Hirngespinsten zu, bastelte und erfand lauter Unnützes, das niemand haben wollte. Als er starb, hatte sie aufgeatmet, einem Käfig entronnen. Sie hatte sich keine Gefühle gestattet, kein Mitleid erbeten, sich nur kopfüber in die Arbeit gestürzt und dann und dort geschworen, kein Geschwätz mehr um sich zu dulden, keine Nutzlosigkeit, nur noch nach oben zu sehen, dahin, wo die Angst aufhört in der Sicherheit. Karriere machen, ein Heim und größere Heime, bedeutendere Posten, zuverlässigere Wälle gegen Not und Leid. Dahin war sie unterwegs gewesen, als die Esel kamen, als sie...
    Ein Geräusch riß sie aus der Erinnerung. Der Sonnenstrahl zu ihren Füßen war verschwunden. Sie blickte auf.
    Ihr Atem stockte, bedrängend klopfte am Hals der Puls: Nicht jetzt, nicht gerade jetzt! Sie schlug die Hände vors Gesicht, um nichts zu sehen, doch unaufhaltsam kam es näher, tap-tap-tap, elend, wackelig, mit schiefen Beinen und lederner Haut, stuckerte auf sie zu, sah zu ihr hoch, ein Auge zugekniffen, eins auf sie gerichtet. Ein Esel.
    Ein Esel!
    Eines dieser Tiere, die von irgendwo in ihre Welt eingebrochen waren, sie genarrt hatten, sie zugrunde richteten. Ein verfluchtes, unnützes, faules, dreckiges, überflüssiges Tier, ein Hohn, ein grausiger! Pfeifend kam ihr Atem, als die Wut sie überwältigte, alle lebenslang geübte Selbstbeherrschung hinwegfegend wie einen Haufen Stroh vor dem Sturm. Alles war verloren durch die Esel, aus und verloren und vertan!
    Durch einen Schrei wollte sie den Esel verjagen und sich aus dem Bann dieser unheimlichen Wut befreien, aber über ihre Lippen kam nur ein Gurgeln tief aus dem Hals. Sie wich bis an die Wand zurück, haltsuchend um sich greifend. Stur lief der Esel ihr nach, tap-tap, mit schlenkerndem, dickem Schädel, das Auge höhnisch, wie ihr schien, auf sie gerichtet. Gleich würde er sie berühren. Sie kroch in sich zusammen, Ekel, Haß und Hilflosigkeit durchloderten sie, vermischten sich zu aufbäumender Abwehr.
    Ihre Blicke irrten wie im Fieber umher, suchten. Da — ein Griff. Beide Hände umklammerten den Pfannenstiel, hoben sich bebend, schwangen die Pfanne fort von sich, gegen den Schädel mit dem Auge, das unverwandt in ihres starrte.
    Es gab einen dumpfen Ton und ein lautes Rasseln, als die Pfanne ihr aus den Händen glitt und auf die Fliesen aufschlug. Die Kartoffeln spritzten durch die Küche. Schreckgelähmt blickte sie auf die Stelle, wo immer noch der Esel stand. Beim Anprall hatte er das andere Auge aufgerissen; es war weißlich blau, blind. Langsam drehte er den Schädel nach der Pfanne, senkte ihn, nahm mit den Lippen eine Bratkartoffel, nahm noch eine, wandte sich um, als im Flur eilige Schritte aufklapperten, und ging hinaus; sein Schwanzstumpf zuckte.
    Stöhnend sank sie auf einen Stuhl.
    Schwester Monika drückte den feuchten Uwe mitsamt dem Badetuch der Chefin auf den Schoß und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, ehe sie sich daranmachte, die Kartoffeln aufzulesen. »Ist Ihnen nicht gut? Kann ich etwas für Sie tun? Ist Ihnen die Pfanne hingefallen ?«
    Frau Martha bewegte stumm den Kopf von links nach rechts. Sie versuchte etwas zu sagen. Ihre Brust hob und senkte sich in Stößen. Sie preßte Uwe an sich, daß er in lautloser Angst verharrte, und vergrub ihr Gesicht in die feuchten blonden Härchen, sog den Duft von Milch und Seife ein, der ihn umgab, preßte den Kinderkörper fest und hilfesuchend an sich, bis sie, zur Besinnung kommend, spürte, wie ihre Hände seine weiche Haut röteten. Da lockerte sie ihren Griff mit einem trockenen Schluchzen. »Es war Malwines Esel«, flüsterte sie erstickt.

    Don Chaussee stieg schon im Dorf aus dem roten Überlandbus aus, wiewohl er bis zum Heim noch zwei Stationen hätte weiterfahren können. Er hatte das Bedürfnis, nach den letzten vierundzwanzig Stunden wieder Boden unter den Füßen zu fühlen, richtigen Straßenboden, durch nassen Matsch zu stampfen, statt vorsichtig über Perserteppiche im Hause Ess zu gehen: Es war schön gewesen, so zur Abwechslung, aber er war und blieb nun mal ein Landstreicher. Da half kein Gott. Vergnügt zog er die Hosenträger höher, warf das Bündel mit dem Nachtzeug am Riemen über die Schulter und trottete dem Kirchplatz zu.
    Hier hatte Große-Witte, der fortgeschrittenen Jahreszeit entsprechend, vor dem Laden einen stattlichen vierstöckigen Obstrost mit

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