13 alte Esel
Stundenlang den Garten umgraben, bis man kreuzlahm wurde — manoli waren sie! Die Gartengeräte, die der Kerl heute mittag so sorgfältig zurechtgemacht hatte, würde er morgen früh vor der Schule klauen. Und vergraben. Er schuckelte vor inwendigem Lachen, als er dachte, was für ‘n feiner Witz das war: mit ‘ner Schaufel die Schaufeln eingraben!
Er arbeitete anderthalb Stunden, bis sich der zurechtgefeilte Schlüssel leicht und mühelos im geölten Schloß drehen ließ. »Da !« sagte er betont nachlässig und Don Chaussees bewundernden Blick genießend. »Funktioniert. Kinderspiel.«
Die Hände in den Hosentaschen, rollte er pfeifend in den Schlafraum.
Er war über alle Maßen verblüfft, als das Schloß am anderen Morgen vor dem Schuppen hing — zwischen ihm und dem Gartengerät. Andreas sah ihn von der Seite an. Und Änne grinste boshaft: »Du bist noch doofer, als du dick bist«, kommentierte sie, »was hast du denn gedacht, wofür das ist? Klodeckel?«
»So ein Schuft !« sagte Leo wütend. »So ‘n miserabliger Schuft! Das hat er extra gemacht !«
»Du merkst aber auch alles«, sagte Änne, »nur nicht sofort .«
6. Kapitel
Die böse Saat, die Änne säte, ging prächtig auf. Wie sie gehofft hatte, erfuhr Martha bereits am nächsten Mittag, daß die Esel Pro- phetennamen erhalten hatten, und auch ihre weiteren Hoffnungen erfüllten sich: Es hagelte Strafarbeiten für die Beteiligten, denn Frau Martha empfand es als Hohn und Gotteslästerung, vermotteten alten Eseln die Namen heiliger Männer zu geben.
So saßen die drei ältesten bei strahlendem Herbstwetter drinnen über ihren Sprüchen, während Änne, die Anstifterin, sich vor aller Augen auf den Terrassenstufen sonnte, Strümpfe stopfte und vor sich hin pfiff.
»Die Kinder Jerusalems haben deine Propheten erwürgt. 1. Kön. 19, 10«, schrieb Leo, der sich zu Jeremias entschlossen hatte. Er spuckte Gift und Galle. Jeremias war ein guter Name für den Esel, der so laut schrie, wenn man ihm am Schwanz zog. Das Getue mit den heiligen Namen kotzte ihn an und diese dämliche Schreiberei auch! Voll inbrünstiger Wut hätte er am liebsten die Tuschfeder zerbrochen, doch hielt ihn ein geheimes Grauen zurück: Um eine neue mußte er Frau Martha fragen. Manchmal formten sich — plumpe Pläne in seinem Borstenschädel: auszureißen und sich zu verstecken, bis sein Alter aus dem Kittchen kam. Sein Alter war ein Kerl! Er verdrosch ihn zwar, wenn er besoffen war, und gab ihm oft halbsatt zu essen, aber er war wenigstens sein Alter, und wenn die Kumpels Angst vor ihm hatten oder ihn grölend hochleben ließen, dann war er rot geworden vor Stolz auf ihn. Was ging ihn t diese Martha an! Wenn sein Alter ihn blond und blau schlug, war das schließlich seine Sache, aber diese Person hatte gar kein Recht, ihn hier mit so ‘nem Quatsch festzunageln. Recht — pff! So war das eben, wenn man kein richtiges Kind war, mit feinen Pinkels von Eltern und so. Dann mußte man sich eben alles gefallen lassen. Selbst Davonlaufen ging nicht. Die fossige Anita würde ihn wohl verstecken, aber die Polizei machte dann ‘ne Razzia und fand ihn wieder. So war das immer. Sogar den Alten hatten sie gefunden. Nee, er mußte erst größer werden. Dann würde er sich rächen — für alles! Immer wütender wurde er, und immer breitere Kleckse spritzte er auf das makellos weiße Papier, bis ihm dumpf wieder bewußt wurde, daß er ja nur um so länger hier sitzen mußte. Düster grollend nahm er einen neuen Bogen.
»Also haben sie verfolgt die Propheten. Matth. 5, 12«, malte Franziska in voller Gemütsruhe. Ihr machte weder die Pinselei noch das Heim was aus. Sie war heilfroh, aus der zugigen Bruchbude ‘raus zu sein, wo sich ihr ewig jammernder Vater in seiner dunklen Ecke heiser schimpfte und doch ohne seine Beine nichts machen konnte als drohen, während ihre Stiefmutter ihn anschrie und ihm einfach so lange nichts zu essen brachte, bis er still war. Manchmal hörte sie im Traum noch das Klirren von Blechnäpfen und zerbrechendem Porzellan, mit dem sie sich beworfen hatten, und wachte angsterfüllt auf. Nein, nein, sie war froh, aus dem Gebrüll und dem Gestank ‘raus zu sein. Vor allem den Gestank mochte sie nicht leiden. Von ihrem spärlichen Taschengeld kaufte sie feine Parfüms, Veilchen am liebsten, die hielten am längsten vor. Und beim Sprücheschreiben übte sie mit der Tuschfeder Nagellackieren, wobei es darauf ankam, daß die Tusche die Hautränder nicht berührte.
Weitere Kostenlose Bücher